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Liberator

Liberator

Titel: Liberator
Autoren: Richard Harland
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versuchte sie beider Arme jeweils um die Taille des anderen zu arrangieren.
    Als Gillabeth zurücktrat und Gansy nach vorn, hörte Col wieder aufmerksam zu. Jetzt würde es um die langfristige Planung gehen, und er war sehr gespannt auf die genauen Einzelheiten.
    »Wir haben darüber gesprochen, wo wir mit der Romanow überhaupt hinwollen«, sagte Gansy. »Der neue vereinte Rat wird zwar die letzte Entscheidung treffen, aber wir haben einen Vorschlag ausgearbeitet.« Sie zog eine Papierrolle unter dem Arm hervor, die sie entrollte und hochhielt. Die Menge rückte nach vorn, um besser sehen zu können, aber nur die in der ersten Reihe konnten die farbigen Konturen von Ozeanen und Kontinenten auseinanderhalten; allerdings wusste – außer Gansy und den Protzern – sowieso niemand, wie man eine Karte liest.
    »Dies«, Gansy tippte auf einen grünen Bereich, »ist Nordamerika. Es ist ein ganzer Kontinent mit fast keinen Kohlestationen. Die einzigen roten Punkte sind ganz am oberen und ganz am unteren Ende. In der Mitte gibt es nur einen einzigen Punkt, und der ist schwarz. Seht ihr?« Sie tippte wieder auf die Karte. »Wir wissen zwar nicht, ob diese Mitte unbewohnt ist, aber wir glauben, dass der schwarze Punkt ein gutes Zeichen ist.«
    »Deshalb glauben wir auch, dass wir dort hinfahren sollten«, fuhr Gillabeth fort.
    Die Anführerin der Swolotschi hatte Gansy beobachtet. Sie klimperte mit ihrem Schmuck, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und sagte laut auf Russisch: »Wot nowaja semlja gdje my budem schit w mirje.«
    Col verstand natürlich kein Wort, aber offensichtlich hatte sein Vater an seinem Russisch gearbeitet. »Neue, ähm, neues, ähm, Land«, übersetzte Orris und pausierte nach jedem Wort. »Leben … Frieden … in Frieden leben.«
    Alle waren gänzlich damit einverstanden, in Frieden zu leben, und schrien ihre Zustimmung heraus. Wieder übernahm Mr. Gibber die Rolle des Aufpeitschers. Aber diesmal störte er Murgatrudds Ruhe oder aber Antrobus und das Tier hatten wieder einmal wortlos miteinander kommuniziert, jedenfalls gab Murgatrudd ein Knurren von sich, das aus tiefster Kehle kam, und Mr. Gibber ließ sofort von seinen Anfeuerungsrufen ab.
    Gillabeth übernahm wieder das Kommando. »Noch weitere Angelegenheiten?« Es gab keine weiteren Angelegenheiten – bis plötzlich Unjas Stimme erklang. »Eti dwa dolschni byt partnerami!«
    Orris tat sich schwer mit der Übersetzung. »Diese zwei … es hat irgendetwas mit Partnern zu tun.«
    Es war Gillabeth, die ihren Kopf schüttelte. »Nein, Unja. Du musst Geduld haben.« Für einen kurzen Augenblick hörte sie sich nicht wie die Oberorganisatorin an, sondern eher wie eine Schwester. »Sie müssen selbst entscheiden, wann es für sie Zeit ist.«
    Geduld gehörte allerdings nicht zu Unjas Tugenden. Sie reichte hoch zu Col und Riffs Köpfen und drückte sie zusammen – so überraschend, dass Riffs Stirn gegen Cols Kinn krachte. Es war kein Kuss, sondern ein Zusammenprall von Knochen.
    Col rieb sich peinlich berührt das Kinn, während die gesamte Versammlung in lautes Gelächter ausbrach. Die Swolotschi und ihre Anführerin lachten am lautesten.

82
    Es war ihre letzte Nacht an Bord des Liberator . Die Zeremonie war vorüber; die Zeugen waren gegangen und hatten die Tür hinter sich geschlossen. Für eine Weile war Riffs Kabine voller Menschen gewesen: Victoria und Albert, Cols Familie, Septimus und Professor Twillip, Riffs Eltern und – unvermeidlich – Unja. Aber jetzt waren Col und Riff allein.
    Durch das Bullauge konnten sie die silberne Scheibe des Vollmondes sehen und einige friedliche Wolkenstreifen. Dem Bullauge fehlte das Glas, eine Lichtbombe hatte es während der Schlacht zerschmettert und eine riesige Beule in der Wand hinterlassen. Kühle Luft und silbriger Mondschein drangen in die Kabine. Riffs persönliche Dinge waren schon alle auf der Romanow , einschließlich der Bücher, ihrem kostbarsten Besitz. Die ausgeräumten Regale, der Schrank, das Bett und der Waschtisch waren die einzigen Gegenstände, die sich noch in der Kabine befanden.
    Die beiden standen Seite an Seite und warfen scharfkantige Schatten.
    »Unsere letzte Nacht«, sagte Riff. »Eigenartig, den Liberator zu verlassen.«
    »Aber auch unsere erste Nacht«, sagte Col. »Du und ich.«
    »Stimmt.«
    »Es wird uns auf der Romanow genauso gut gehen wie hier. Besser. Denn jetzt sind wir ja verpartnert.«
    »Nein.«
    »Was?«
    »Wir sind nicht verpartnert.«
    Col verstand
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