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Liberator

Liberator

Titel: Liberator
Autoren: Richard Harland
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Strickleitern, die die Dreckigen überall angebracht hatten, um in der frischen Luft herumklettern zu können. Col konnte Hunderte von Dreckigen sehen, die die Sonne genossen und die Vorbereitungen zur Abfahrt beobachteten.
    Die unterste Stufe bildete das Gartendeck. Unter dem alten Regime war es eine Parklandschaft gewesen, doch inzwischen diente es dem Anbau von Nahrung. Selbst von hier oben konnte man noch winzige Punkte erkennen, die sich auf einem vielfarbigen Patchwork von Gemüsebeeten hin- und herbewegten. Diese Punkte waren Gesindlinge.
    Unter dem Gartendeck folgte der Schiffsrumpf, der noch einmal fünfhundert Fuß senkrecht nach unten führte. Und darum herum lag das türkisblaue Meer, vollkommen glatt und ruhig. Ein prachtvoller Anblick! Die Transportschaufeln des Juggernaut, mit deren Hilfe der Handel mit den Einheimischen in ihren Kanus, Flößen und Auslegern vonstatten ging, wurden nun hochgezogen, und die Einheimischen paddelten davon. Die Transportschaufeln, die zum Fischen genutzt wurden, zogen lange Netze hinter sich her.
    »Jetzt kann’s nicht mehr lange dauern, bis wir starten«, murmelte Riff.
    »Ich musste grade an die Gesindlinge denken«, sagte Lye.
    Riff seufzte. »Das war das Einzige, was wir für sie tun konnten. Sie nach der Befreiung aus ihren Schlafsälen in den Unterdecks nach Oben holen, damit sie wenigstens frische Luft haben und Sonnenschein. Und wir haben ihnen einfache Aufgaben gegeben, die sie bewältigen können.«
    »Aber sie können nicht wieder zu wirklich freien Menschen werden?«
    »Nein.«
    »Wegen den Operationen, die die Protzer an ihnen ausgeführt haben?«
    »Ihre Chirurgen haben ihnen was ins Hirn gepflanzt, um artige Sklaven aus ihnen zu machen, die nicht mal mehr sprechen können.« Riff sprach monoton, als ob sie etwas auswendig Gelerntes aufsagte.
    Col erinnerte sich sehr gut daran, wie Riff selbst diesem Eingriff um Haaresbreite entgangen war.
    »Nein, wir können das nicht wieder rückgängig machen.«
    Plötzlich vibrierte der Metallboden unter ihren Füßen. Col drehte sich um und sah riesige weiße Dampfwolken aus einem der Schornsteine des Juggernaut steigen, dann aus einem zweiten und zuletzt aus allen sechs Schornsteinen gleichzeitig. Die Kessel und Turbinen standen unter Dampf. Als er wieder nach vorne schaute, sah er, wie die Einheimischen ihr Paddeltempo erhöhten und mit ihren Booten wie Wasserläufer nach allen Seiten weghuschten. Die Transportschaufeln schwangen jetzt auf halber Höhe des Schiffsrumpfes an den Drahtseilen der riesigen Kräne hin und her. Ein Potpourri weit entfernter Geräusche vermischte sich mit dem Rauschen des Windes.
    Lye nahm kaum Notiz von dem, was um sie herum geschah. Stattdessen hatte sie sich wieder Riff zugewandt. »Auf dieser Plattform hast du den Tyrannen besiegt. Stimmt’s? Von hier ist der Oberbefehlshaber in die Tiefe gesprungen.« Lye klopfte auf die Brüstung.
    Riff nickte. »Du kennst die Geschichte?«
    »Kennen? Jeder kennt sie! Ich kenne jedes Detail. Er wollte die Liberator in die Luft jagen.«
    »Stimmt. Bloß hieß der Juggernaut damals noch Worldshaker . Er konnte es nicht ertragen, dass die Dreckigen das Sagen haben sollten.«
    »Und du hast ihm die Schlüssel für die Sicherheitsventile abgenommen. Dazu musstest du außen an der Brüstung um diese Plattform herumklettern.« Lye hielt voller Bewunderung den Atem an, als sie sich über die Brüstung lehnte und die fünfhundert Fuß senkrecht in die Tiefe blickte. »Ein falscher Griff, und du wärst in den sicheren Tod gestürzt.«
    Riff lachte. »Und das Ganze mitten in einem Unwetter. Ich muss verrückt gewesen sein.«
    »Nein, mutig. Sehr mutig. Du hast getan, was getan werden musste!«
    Col biss die Zähne zusammen. Er war dabei gewesen. Er wusste wirklich , wie mutig Riff gewesen war. Merkte sie denn nicht, wie ihr Lye Honig um den Bart schmierte? So wie sie es auch bei Shiv gemacht hatte?
    »Du hast so viel geleistet«, fuhr Lye fort, »und bist nicht mal älter als ich!«
    »Fünfzehn.«
    Lye lehnte sich ganz nah an Riff. »Du bist für uns alle ein solches Vorbild«, ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. »Dir haben wir die Befreiung zu verdanken!«
    »Ich war eine von vielen.«
    »Stimmt, aber du bist vorausgegangen, du hast uns geführt. Hast die Oberdecks ausspioniert. Das Seil nach Unten herabgelassen, so dass wir uns befreien konnten. Wenn du nicht gewesen wärst, säßen wir noch heute Unten in der Falle.«
    Und was ist mit mir?, dachte
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