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Level X

Level X

Titel: Level X
Autoren: David Ambrose
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weiter vorne blockiert. Was m i r bis heute wirklich nic h t kl a r i s t, obwohl ich m i r diesen Augenblick unzählige Male ins Gedächtnis zurückgerufen habe, ist, ob ich zu diesem Zeitpunkt schon wusste, was geschehen war. Oder folgte ich weiterhin nur wie in Trance einem unbewussten I m puls? Mit Sicherh e it hatte ich k e ine r lei Zwei f el dara n , wo ich hinmusste. Ich sprang aus dem Wagen, ohne den Motor auszu m achen, ließ die Tür offen und r annte den grasbewachsenen Hang auf der linken Straßenseite hinauf. Die Leute s t arrten h i nter m i r her u n d fragten si ch sich e r, wer wohl dieser Verrückte war und wo er s o dringend hinwollte.
    Oben angekommen, sch w itze n d, m it zerri s sene n , sch m utzigen Kleidern, a bgebrochenen und blutenden Fingernägeln, die ich mir auf den hart erkä m pf t en letzten steilen Metern eingehandelt hatte, blieb ich stehen und blic k t e zur Spitze des Staus hinüber. Natürlich wusste ich genau, wo diese sich bef a nd. Aber wusste ich auch, was genau m i ch dort erwartete? Von m einem Standort konnte ich nur ein allge m eines Durcheinander erkennen: hin und her laufende Leute, eine im m er größer werden d e Menschenmenge und kreuz und quer stehende Autos, was auf einen Verkehrsunfall hinwies. S o schnell ich konnte, rannte ich zu der Stelle.
    Ein paar Protestrufe und unterdrückte Flüche schallten m i r entgegen, als ich mich durch die Menge drängte, um zu sehen, w as passiert war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich es allerdings schon, glaube ich. Ich hatte es für den Bruchteil einer Sekunde gewusst, als ich im Konferenzraum das Glas h a tte f allen l a ssen und hinausgerannt war. Das schreckliche Bild, das sich m i r nun bot, hatte m i r kurz vor Augen gestanden, aber ich hatte es auf der Fahrt hierher wieder verdrängt. Nun gab es kein Entkommen m ehr.
    Ein rie s iger Kühltrans p orter, viel größer als der Truck, der m i ch an diesem Morgen beinahe das Leben gekostet hätte, war scheinbar außer Kon t rolle geraten und hatte die Mittelleitplanke durchbrochen. Er war wie ein Spring m esser zusammengeklappt und hatte sich überschlagen. Die Ladetür war aufgesprungen, und überall verstreut lagen tiefgefrorene Tierkadaver. Unter dem Laster war ein kleiner W agen ei ngeklem m t . Er war hellgrün, und trotz aller Defo r m ierungen erkannte ich ihn: Es war der i m portierte 2CV, den Anne sich seit unserer ersten Reise nach Europa im m er g e wünscht hatte. Der Bau dieses Mo de lls war ein g estellt wor d en, und es h atte lange gedauert, bis ich einen Fachhändler aufgetrieben hatte, der m i r zu Annes dreißigstem Geburtstag eines besorgen konnte.
    Sie war so glücklich gew e sen u n d aufgeregt wie ein Kind, als sie nach unten kam und den Schlüssel auf dem Tisch liegen sah, m it einer großen Schleife daran, und dann den W agen draußen vor dem Fenster entdeckte. Ich hatte einen Picknick-Korb auf dem Rücksitz verstaut, ge f üllt m it f ranzösisc he m W eißbrot, Cha m pagner, e i ner Flasche W e in, etwas F oie Gras und einem G e burtstags- kuchen m it ihrem N a men darauf. W i r m ussten nur noch einsteigen und losfahren, Anne und ich, zu einem Platz, den ich bereits ausgesucht hatte …
    … und nun lag sie im Sterben, eingeklem m t , blutend, weit nach hinten gekrümmt, als schrecke sie vor etwas zurück, in einer unrealisti s chen, beinahe cartoonartigen Übertreibung wütender Entrüstung. Nur dass dies kein Cartoon war. Und keine Übertreibung. Dies war die harte, brutale Realität; das Ergebn i s dessen, was rohe, unbar m - herzige Gewalt Anne angetan hatte.
    Ich weiß nicht m ehr, ob ich einen Schrei au s gestoße n , etwas gesagt oder auf irgendei n e andere Weise zu erkennen gegeben habe, wer ich war: Auf jeden Fall m achten die Leute m i r plötzlich Platz, lie ß en m i ch nach vorne und dä m p ften ihre Stim m en, soda s s sich eine unhei m liche Stille über der Szene ausbreitete.
    Vor m i r kniete ein Mann und k ä m pfte m it den Überresten der Ko ff errau m tür. Falls ich da m als sein Gesicht gesehen habe, kann ich m i ch auf jeden Fall nic h t m ehr daran erinnern.
    Ich sehe nur noch seinen m assigen Rücken vor m i r und den billigen grauen Anzug, der sich über seinen fleischigen Schultern spannte. Er hatte einen breiten Nacken, und über seinem Kragen war ein Speckwulst zu erkennen. S ein glatt zurückg e kämmtes Haar war rot b raun, kurz geschnitten und sch m ierig. Und dann, ganz plötzlich, drehte er sich um und hielt m
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