Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht
Autoren: Alexa Hennig Lange
Vom Netzwerk:
Doch der bleibt mir im Hals kleben. Und gerade als ich denke, ich verschwinde mal eben ins Bad, um mich zu übergeben, klopft es hinten an der Gartentür. Sofort springe ich auf, es kann ja nur Johannes mein Erlöser sein. Leider grapscht Cotsch nach meinem Arm und zieht mich mit einem kräftigen Ruck zurück auf den Gartenstuhl.
    Sie zischt: »Bleib sitzen! Du willst doch nicht übereifrig wirken, oder?«
    Ich hocke mich also wieder hin und übe mich gezwungenermaßen in Gelassenheit. Dafür steht meine Schwester höchstpersönlich auf. Mit hoch erhobenem Haupte und eleganten Schrittes verschwindet sie wie eine Gazelle in der herbstlichen Vegetation. Durch die Blätter hören wir sie mit jemandem reden. Mama, Papa und ich verdrehen unsere Hälse in Richtung Gartentür. Leute, ich hoffe wirklich, es ist Johannes. Dann würde diese innere Anspannung augenblicklich verpuffen und ich würde super Laune bekommen.
    Endlich kehrt Cotsch zur Kaffeetafel zurück und direkt hinter ihr schlägt sich Helmuth, der alternde Tennistrainer, durch die Büsche. Dementsprechend sportlich ist er gekleidet. Also: weißes Poloshirt und weiße Shorts mit Tennissocken und flippigen Schweißbändern an den Handgelenken. Wie bereits erwähnt, hatte meine Schwester schon mal was mit dem. Deswegen hat er jetzt seine Scheidung am Laufen, und in der Nachbarschaft behaupten alle, meine Schwester sei eine Ehebrecherin oder ein »leichtes Mädchen«. Ihr ist das egal, Mama nicht. Seit der Geschichte traut sie sich nur noch im Dunklen vor die Tür. Einmal hat sie sogar gemeint: »Constanze, du hast Schande über uns gebracht!« Seitdem nutzt meine Schwester diesen Ausspruch geschickt für ihre eigenen Zwecke: »Wenn es so ist, kann ich ja auch abhauen!« Auf diese Weise erpresst sie meine Eltern, wann immer sie dringend ein paar neue Teile zum Anziehen haben will. Und meine Schwester will ständig neue Teile zum Anziehen haben. Die alten schmeißt sie einfach in die Mülltonne. Genauso hat sie es auch mit Helmuth gemacht. Zuerst hat sie sich in ihn verguckt, und als der nächste Hammer-Typ vorbeikam, hat sie ihn wie ein altes Teil weggeworfen. Überhaupt war Cotsch anschließend total genervt von ihm, weil er ihr mit seinen Liebesschwüren so richtig auf den Senkel gegangen ist.
    Doch inzwischen scheint sie ihre Meinung geändert zu haben. Sie flötet: »Überraschung! Guckt mal, wer da ist.«
    Helmuth will uns zur Begrüßung zuwinken. Aber der Versuch scheitert. Er hat nämlich einen riesigen Präsentkorb dabei, in dem gestaffelt eine Ananas und mehrere Konservendosen, Weinflaschen und Chipstüten liegen. Das Ganze ist in durchsichtige Knisterfolie verpackt. Mit diesem Ungetüm kämpft er sich tapfer durch unseren zugewucherten Garten, bis er leicht zerzaust die Kaffeetafel erreicht. Vor Aufregung ist er ganz rot im Gesicht und auf seiner Stirn glitzern Schweißperlen.
    »Grüß euch! Ich dachte, ich bringe Lelle eben mal ein kleines Willkommensgeschenk vorbei.«
    Leute, der Korb mit den Weinflaschen und der Ananas ist für mich! Ist ja irre! Ich dachte, solche Teile kriegt man erst zum hundertsten Geburtstag.
    Helmuth tritt dicht an den Tisch ran und reicht ihn mir feierlich rüber. »Für dich, liebe Elisabeth.«
    » Merci .«
    Ich nehme das Monstrum an mich und stelle es mir auf den Schoß, sodass ich meine Familie plus Helmuth nur noch verschwommen durch die Folie beobachten kann.
    Papa schiebt unserem Nachbarn einen Klappstuhl ran und sagt, mit Blick auf die Weinflasche: »Setz dich doch.«
    Aber Helmuth hebt gleich abwehrend die Hände. »Danke, danke, danke. Ich will nicht stören.«
    Papa klopft mit der flachen Hand auf die Sitzfläche. »Tust du doch gar nicht!«
    Und ich sehe genau, dass Helmuth sich total gerne mit an die Kaffeetafel ransetzen würde.
    »Na gut.« Aufgeregt reibt er die Hände und Schweißbänder aneinander. Immerhin trägt er heute nur die an den Handgelenken; auf das breite Stirnschweißband mit dem Adidas-Aufnäher hat er ausnahmsweise verzichtet. Das stülpt er sich sonst sehr gerne über.
    Mama holt von drinnen schnell ein weiteres Gedeck und stellt es vor Helmuth hin. Ich muss nicht sagen, dass ich trotz des monströsen Präsentkorbs ziemlich enttäuscht bin. Ich hatte echt gehofft, dass jetzt Johannes kommt. Wahrscheinlich schmust der wirklich gerade in den Armen einer Tussi mit blondem Haar, langen Beinen und riesigen Brüsten. Ich hasse sie jetzt schon! Bestimmt heißt sie Cynthia und ist Analphabetin! Bei der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher