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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht
Autoren: Alexa Hennig Lange
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mir eben mein Handy wiederzuholen. Allerdings muss ich da vorsichtig vorgehen, weil der Garten Papas Ein und Alles ist. Nicht dass ich am Ende noch irgendwelche Blütenstände abknicke. Ich quetsche mich an Cotsch vorbei und stelle mich an den Rand des üppig bepflanzten Beetes. Ich beuge mich so weit wie nur irgend möglich vor, in der Hoffnung, mein rotes Telefon zu erspähen. Doch die Spätblüher, wie sie im Fachjargon heißen, stehen so dicht gedrängt, dass an keiner Stelle bis auf den Boden zu sehen ist.
    Hinter mir fragt meine Schwester mit strengem Tonfall: »Was machst du denn da?«
    »Ich suche mein Handy.«
    »Warum das denn?«
    »Ich will hören, was Johannes aufs Band gesprochen hat.«
    »Ist doch egal. Du rufst ihn ja sowieso nicht zurück.«
    Scheiße, Cotsch führt sich echt so auf, als hätte ich bei ihr ein exklusives Seminar in Sachen Liebe gebucht. Unter uns: Das wird mir gerade ein bisschen zu heavy . Darum reagiere ich gar nicht weiter auf ihr Profi-Gelaber, sondern meine nur ganz trocken: »Kannst du mich bitte mal eben mit deinem Handy anrufen?«
    Doch sie verschränkt einfach die Arme vor der Brust und meint total schnippisch: »Jetzt nicht.«
    »Bitte!«
    »Gleich. Erst einmal stoßen wir an.«
    Meine Schwester macht mich echt fertig. Die denkt immer, alles hat nach ihren Vorstellungen zu laufen. Genau wie Papa. Diese beiden sind total unfähig nachzugeben - weswegen sie sich ja auch dauernd in die Haare kriegen. Mama und ich sind eher die versöhnlichen Typen. Darum werden wir ja auch von allen anderen ausgenutzt und erniedrigt. Leute, ich sage euch: Das wird sich ändern!
    Ich richte mich auf und in meinem Kopf kribbelt es gefährlich. Wahrscheinlich kippe ich sowieso gleich um. »Warum sollen wir erst mal anstoßen?«
    »Weil Helmuth etwas zu verkünden hat.«
    »Was denn?«
    »Wirst du gleich erfahren. Setz dich bitte wieder hin.«
    Leute. Ich könnte echt kotzen. Hoffentlich gestaltet Helmuth seine Ansprache kurz und prägnant. Ich sterbe gleich an Überreizung. Ich will wissen, was Johannes mir aufs Band gesprochen hat.
    Papa hört auf, an seiner Nase herumzumassieren, und erhebt sich nun ebenfalls von seinem Klappstuhl. Mit verquollener Nase meint er: »Lass mich mal ran.«
    Er schiebt mich einfach zur Seite und beugt sich weit über die üppigen Blütenstände. Mit gekonnten Handgriffen schiebt er die Stängel zur Seite, mal dahin, mal dorthin. Dabei geht er systematisch vor, als würde er den Urwald nach Guerillakämpfern durchforsten. Mit kleinen Seitwärtsschritten bewegt er sich an der Kante des Beetes entlang und sucht gewissenhaft jeden Millimeter des oberflächlichen Erdreichs ab. So ist Papa. Wenn er etwas anpackt, dann richtig. Egal, was es ist. Er ist immer hundertprozentig bei der Sache, was wiederum auch von Nachteil sein kann. Auf diese Weise verliert er nämlich oft die wirklich wichtigen Dinge aus den Augen. Und dann kommen auch schon Mama und Helmuth mit den Gläsern zurück und nehmen wieder ihre Plätze ein.
    Helmuth gießt die Gläser mit dem Schampus voll und erhebt feierlich seinen Kelch. »So, liebe Freunde …«
    Papa reagiert gar nicht. Der ist voll weggespaced. Mit nervösem Blick dreht sich Mama nach ihm um, wie er mit seinem Oberkörper über dem Beet rumpendelt. Weil er inzwischen losgelöst von Zeit und Raum seine Handy-Such-Mission durchführt, beschließt sie todesmutig, ihn an den Tisch zurückzubitten. Dabei weiß sie doch genau, dass er es nicht leiden kann, wenn man ihn bei seinen Tätigkeiten stört. Also ruft sie mit besonders heller Stimme: »Berni, kommst du?«
    Wie erwartet, reagiert er gar nicht, sondern pendelt weiter über die Astern. Helmuth lässt seinen Arm samt Kelch wieder sinken und glotzt ratlos zu meiner Schwester, die richtig am Pumpen ist. Ich sage euch Leute, es fehlt nicht mehr viel, bis sie explodiert. Seit der Rauswurfsaktion mit Antoine ist Cotsch nämlich ziemlich sensibel geworden, was Papas Verhalten ihren männlichen Freunden gegenüber anbelangt.
    Um die Stimmung nicht zusätzlich anzufeuern, setze ich mich schnell wieder auf meinen Platz und lüge: »Sekt ist jetzt genau das Richtige.«
    Und meine Schwester meint so von oben herab: »Das ist Champagner, meine Liebe.«
    Meinetwegen. Ich stehe sowieso mehr auf Bier. Aber ich finde, es ist wichtig, den Leuten ein gutes Gefühl zu geben. Früher als Kind dachte ich sogar, ich bin so eine Art kindlicher Jesus, der den Leuten Hoffnung bringt. Ständig haben die Nachbarn zu
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