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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Gerade bin ich dabei, einen vollen Arm gammliges Laub in diesen großen Sack zu packen, den Papa mir aufhält, da klingelt mein Handy. Ich stopfe das müffelnde Laub also noch schnell ordnungsgemäß in den Sack und gehe direkt dran. Ohne zu zögern. Ich denke: Ich bin doch nicht blöd. Ich spiele hier doch keine albernen Spielchen. Und tatsächlich ist Johannes am anderen Ende der Leitung.
    »Äh, hier ist Johannes.«
    Ich meine nur ganz cool: »Ja, bitte? Worum geht’s?«
    Und er noch mal: »Hier ist Johannes.«
    Und ich wieder ganz entspannt: »Ich weiß.«
    »Wo bist du?«
    »Zu Hause, wieso?«
    »Und was machst du gerade?«
    »Ich harke mit meinem Vater Laub zusammen.«
    »Aha. Cool.«
    Und an der Stelle reicht es mir schon wieder fast. Ich denke: Was ist daran bitte cool? Ich finde, der Typ soll langsam mal mit einer Erklärung plus Entschuldigung rausrücken. Stattdessen labert der nur rum. »Aha. Cool.«
    Unterdessen macht Papa weiter um mich rum, kratzt das Laub zusammen und füllt es in Säcke. Mama taucht hinter dem spiegelnden Küchenfenster auf und macht gleich so komische Handzeichen, die so viel bedeuten sollen wie: Er soll dich auf dem Festnetz anrufen! Das Zeichen macht sie so lange, bis ich mich nicht mehr konzentrieren kann und entnervt zu Johannes meine: »Kannst du mich bitte kurz auf dem Festnetz anrufen, meine Mutter hat Angst, dass ich einen Gehirntumor wegen der Strahlung bekomme.«
    »Okay.«
    Also lege ich auf, latsche ins Wohnzimmer - und seitdem sitze ich auf der Fensterbank neben dem Telefon und warte, dass mich Johannes anruft. Das ist jetzt ungefähr zehn Minuten her, und so lange braucht kein Mensch, um eine Nummer einzutippen. Ich könnte echt durchdrehen. Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Art Lebensprüfung und ich werde sie bestehen.
    Mama lehnt mit aufgesetzter Duschhaube im Durchgang zur Küche und guckt mich verwundert an. »Warum meldet er sich denn nicht?«
    »Keine Ahnung.«
    So eine rosa Haube setzt sie sich seit Neuestem auf den Kopf, wenn sie Hausarbeit leistet. Damit ihre Haare nicht anfangen zu stinken, wenn sie etwas scharf anbrät, oder einige von ihren Haaren in den Topf fallen. Sie knibbelt nervös an ihrem Daumen herum, und ich beschließe, ab heute nie wieder auf meine Mutter zu hören.
    Jetzt überlegt sie auch noch scheinheilig: »Vielleicht hat er unsere Nummer nicht?«
    Gerade als ich so weit bin, vor Wut das Telefon aus der Wand zu reißen und durch die große Fensterscheibe in den Garten rauszuschleudern, klingelt es. Um mich schnell wieder zu beruhigen, zähle ich langsam bis drei, dann hebe ich den Hörer hoch und brülle hinein: »Scheiße! Warum hat das so lange gedauert?!«
    »Äh, hier ist Rita. Ist deine Mutter da?«
    »Wer?«
    »Rita! Ist deine Mutter da? Ich muss dringend mit ihr sprechen.«
    »Ja, Moment.«
    Ich halte Mama den Hörer hin. »Für dich.«
    Endlich hört sie auf, an ihrem Daumen rumzuknibbeln. Dafür fragt sie mit den Lippen, aber ohne Ton: »Wer ist dran?«
    Mama hasst es zu telefonieren, weil sie sich dann immer so unfrei fühlt. Sie plant ihren Tagesablauf nämlich minutiös durch und Telefonate sind darin nicht vorgesehen. Ich sage also ganz laut: »Deine Freundin Rita.«
    Bei der macht Mama allerdings gerne eine Ausnahme. Rita ist Mamas »beste« Freundin und für die würde Mama sogar durch einen Fluss voller Kotze schwimmen. Irgendwie haben die beiden so ein seltsames Abhängigkeitsverhältnis. Papa meint: »Das ist typisch für Frauen. Die müssen sich immer in irgendwas reinsteigern. Sonst langweilen sie sich.« Ich glaube, er hat recht.
    Augenblicklich reißt Mama mir den Hörer aus der Hand und haucht rein: »Hallo?«
    So als sei Rita ihr Geliebter. Voll merkwürdig. Neulich ist ja Ritas Mann plötzlich von zu Hause ausgezogen und hat ganz cool gemeint: »Das war’s. Ich trenne mich.« Seitdem braucht Rita vierundzwanzig Stunden am Tag Mamas Beistand. Den leistet Mama mit vollem Engagement, weil sie Rita auf diese Weise zeigen kann, was für eine tolle Freundin sie ist. Cotsch meint: »Mama ist in Rita verknallt.« Das kann gut sein. Die beiden trinken ja auch gerne mal zusammen ein Gläschen Baileys.
    Außerdem hat Rita noch zwei Töchter: Alice und Susanna. Die sind ungefähr so alt wie Cotsch und ich. Das ist allerdings auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen uns, denn ansonsten haben sie tierische Segelohren und sind Wunderkinder. Alice kann Klavier spielen, dass sich die Balken biegen, und Susanna hat einen
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