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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt
Autoren: Alexa Hennig Lange
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klar feststellen: Ich habe Angst, dass ich später genau so eine unerfreuliche Ehe führen werde wie meine Eltern. Arthur weiß das, und darum hilft er mir, diese Angst zu heilen. Er nimmt mich in den Arm und fragt mich, wie es mir geht. Und wenn ich melancholisch werde und mich unsicher fühle, sagt er mir, wie toll ich bin. Dafür bin ich ihm dankbar. Habe ich schon gesagt, dass meine Schwester auch tierisch Schiss vor der Liebe hat und darum radikal die Männer unterdrückt? Ich meine, das ist unser Lebensthema: Angst vor schmerzhaften Bindungen.
    Mama schiebt ihren Stuhl zurück und steht vom Esstisch auf. Mit vor der Brust verschränkten Armen stellt sie sich ans Fenster und sieht stumm raus in den zwitschernden Garten. Leute! Ich liebe es, wenn die Amseln im Frühling anfangen zu zwitschern. Dabei kaut Mama an ihrem Daumennagel herum, wie sie es immer macht, wenn sie nervös ist. Und Mama ist immer nervös, weswegen es fast an ein Wunder grenzt, dass sie überhaupt noch einen Daumennagel hat. Cotsch steckt sich ein Stück Möhre in den Mund und kaut niedergeschlagen darauf herum.
    Endlich hört Mama auf, an ihrem Daumen herumzunagen. Ohne sich zu uns umzudrehen, fragt sie mit belegter Stimme: »Weiß Helmuth schon davon?«

    Ich sage: »Nein.«
    Da dreht sich Mama dann doch zu uns um. Gerade kann sie nur noch flüstern: »Lelle, hast du eine Zigarette für mich?«
    »Klar.«
    Ich renne in mein Zimmer und nehme die Marlboro-Lights-Schachtel vom Schreibtisch. Und das grüne Feuerzeug. Damit flitze ich wieder zurück ins Wohnzimmer und reiche meiner Mutter die aufgeklappte Schachtel rüber. Sie fummelt sich mit zittrigen Fingern eine Zigarette raus und macht die Terrassentür auf. Mit der glühenden Zigarette stellt sie sich draußen auf das Schuhgitter und qualmt los, als hätte sie in ihrem Leben noch nie etwas anderes gemacht. Sie inhaliert richtig tief rein, sodass sie mit dem ersten Zug schon die halbe Zigarette niederglüht. Ich muss sagen, Mama ist echt für Überraschungen gut. Richtig freaky! Steht da einfach in Schürze im Garten rum und glüht die Zigarette runter.
    Cotsch kriegt ihren Mund auch nicht mehr zu. Sie erhebt sich von ihrem Platz und stellt sich zu uns, um Einigkeit zu demonstrieren. Von wegen: Wir sind eine Familie. Wir müssen zusammenhalten. Eigentlich wäre die Luft herrlich frisch, wenn sie nicht von Mamas Zigarettenqualm verpestet würde. Mama zieht die Wangen ein, behält den Rauch in den Bronchien und bläst ihn langsam und genüsslich wieder aus. Fehlt bloß noch, dass sie anfängt, mit verruchter Stimme einen Chanson zu raunen.
    Augenblicklich hält Cotsch sich die Hand vor den Mund und presst hervor: »Mir wird schlecht.«
    Und gleich rennt sie in Richtung Gästetoilette. Als Mama schon fast den Filter angeraucht hat, wirft sie den
Zigarettenstummel auf die Steine und drückt ihn mit einem der herumstehenden Topfuntersetzer aus. Dabei murmelt sie: »Und wie soll ich das bitte Papa erklären? Der wird nur wieder meinen, ich hätte bei eurer Erziehung völlig versagt. Vermutlich hat er sogar recht damit. Ich hätte mit euch viel strenger sein sollen.«
    Ich schüttle den Kopf. »Finde ich überhaupt nicht.«
    Als Mama sich wieder aufgerichtet hat, muss sie sich plötzlich am Türrahmen abstützen. Irgendwie ist sie ziemlich grün im Gesicht und ihre Augenlider hängen schwer nach unten.
    »Oh … oh … Ich glaube, ich muss mich mal ganz schnell hinsetzen.«
    Vorsorglich rufe ich über die Gartenmauer: »Scheiße, Arthur! Hilf mir!«
    Leider hört er mich nicht. Vermutlich hat er wieder seine riesigen Profi-Kopfhörer auf, um sich sein Gehör mit zu lauter Musik zu schädigen. Nun bin ich gefragt, Mama allein über die Schwelle zurück ins Wohnzimmer zu bringen und sie aufs Sofa zu legen. Da liegt meine Mutter immer, wenn sie nicht mehr kann und glaubt, bei der Erziehung von Cotsch und mir versagt zu haben. Dieses Mal ist es wohl der Kreislauf, der sie in die Knie zwingt. Ich greife ihr unter die Achseln und sie lässt sich voll reinfallen. Unter uns: Sie ist nicht ganz leicht. Aber ich bin stark und schleife sie rüber in die Sitzecke.
    Da lässt sie sich schlaff aufs Sofa sinken und flüstert: »Lelle, bring mir einen Schluck Wasser.«
    Das mache ich. Ich stopfe Mama ein Sofakissen in den Rücken und sie nippt am Glas. Als sie einigermaßen wieder bei Kräften ist, wispert sie:

    »In welchem Monat ist Constanze?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube, sie
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