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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Freundin. Ich bin zärtlich und klug. Das muss reichen, um jetzt zu Arthur rüberzugehen und ihm zu sagen, dass ich ihn vermisse. Ich will seine Freundin sein. Das weiß ich jetzt. Mehr als je zuvor. Wir gehören zusammen. Arthur und ich, auch, wenn ich Johannes sehr gerne mag.
    Aber Arthur und mich verbindet wirklich viel.
    Ich ziehe mir meine dünne Strickjacke über und gehe aus dem Zimmer in den dämmrigen Flur. Hinten im Garten sitzen Mama, Papa und Cotsch beieinander. Kurz beobachte ich sie, wie Papa allen Tee eingießt. Diese Bewegung habe ich so oft in meinem Leben gesehen. Papas Arm mit der Teekanne. Vermutlich gibt Helmuth gerade wieder eine seiner legendären Tennisstunden. Die Akazie mit ihren schweren, blätterbepackten Ästen hängt wie ein orangeroter Schirm über meiner Familie und es wird Herbst. Ich liebe meine Leute. Ich brauche sie. Hier bei ihnen bin ich zu Hause. Durch sie bin ich das, was ich bin. Sie sind ein Teil von mir und ich bin ein Teil von ihnen. Was habe ich nur für ein Glück!
    Ich ziehe die Haustür auf und die Sonne kommt mit all der Wärme des Tages hereingequollen und erfüllt mich, geht durch mich hindurch und macht, dass ich mich leicht fühle. Dies ist ein besonderer Nachmittag, der mir für immer im Gedächtnis bleiben wird. Ich weiß es. Ich spüre es. Ich gehe dem Licht, der Wärme, der Helligkeit entgegen, barfuß über die aufgewärmten roten
Backsteine, an Papas Rosenbüschen vorbei, über denen im Sommer die Bienen summen, auf Arthurs Haustür zu. Langsam, Schritt für Schritt gehe ich, immer weiter, auf diese weißlackierte Tür zu, hinter der alles begann.
    Arthur und ich.
    Ich steige die beiden Steinstufen hinauf und klingle. Nichts passiert. Ich klingle wieder. Ich höre nichts. Ich hebe die Briefklappe an und sehe in das leer geräumte Haus hinein. Vom Garten her drückt sich die Sonne ins Wohnzimmer und den Flur hinein und spiegelt sich auf dem glatten Parkett. Da ist kein Arthur. Ich lasse die Klappe wieder runterfallen und schlage mich durch die inzwischen verblühten Büsche hin zu seinem Fenster. Meine Haare bleiben wie immer in den feinen Zweigen hängen. Ich kämpfe mich weiter, die Blättchen segeln in Richtung Erde. Um besser durch die Scheibe sehen zu können, lege ich meine Hände ums Gesicht, drücke meine Nase an der Scheibe platt - und, ja: Da sitzt Arthur auf seinem Hochbett, mit den Kopfhörern auf den Ohren und raucht Zigarette. Und ich hole aus, um mit der flachen Hand gegen die inzwischen von Papa ausgewechselte Scheibe zu schlagen.
    Doch bevor meine Hand das Glas berührt, sieht Arthur auf und winkt mir zu.

15
    Arthur und ich sind in den Garten rausgegangen. Da steht eine alte Hollywood-Schaukel. In die setzen wir uns. Mit den Beinen geben wir uns Anschwung und schaukeln hin und her. Ganz sacht. Um uns herum zwitschert es in den Zweigen, Arthurs Garten ist so was von verwildert. Richtig märchenhaft romantisch. Überall wachsen wilde Rosen, dazwischen verwelkter Flieder, orangefarbene Büsche, gelbe Halme, hohe Gräser. Dies ist einer der schönsten Gärten. Sogar Papa ist ganz neidisch. Er meint, Arthur hätte besseren Boden. Na ja, ich weiß ja nicht.
    Wir schaukeln hin und her und von drüben aus unserem Garten dringen die Stimmen von meiner Familie herüber. Sie trinken Tee und hier sitze ich in der quietschenden Hollywood-Schaukel neben meinem besten Freund Arthur. Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll, wie ich ihn bitten soll, mich wieder zu nehmen, mich weiterhin zu lieben. Ich öffne den Mund und sehe ihn an.
    Er lächelt und streicht sich seine Haare hinter das Ohr. Er blinzelt. »Was geht?«
    Ich sage: »Nichts, wieso?«
    »Weil deine Pupillen rumflippen.«
    »Machen sie doch gar nicht.«
    »Machen sie wohl, und daran sehe ich, dass du mich
was fragen willst, aber nicht weißt, wie du es ausdrücken sollst.«
    »Stimmt.«
    Ich hole tief Luft und krame nach meinen Zigaretten. Aber die habe ich zu Hause liegen lassen. Also räuspere ich mich und sage das, was ich fühle: »Arthur, ich vermisse dich.« Meine Augen brennen, meine Nase fühlt sich plötzlich ganz verstopft an und die ersten Tränen rollen über meine Wangen. Ich flüstere: »Es tut mir so leid. Ich liebe dich.«
    Und Leute, ich kann es nicht glauben, Arthur rutscht ganz dicht neben mich und legt seinen Arm um meine Schultern. Wie damals, als wir zusammengekommen sind, trägt er sein ausgewaschenes T-Shirt mit den Streifen. Ich wische mit dem Gesicht darüber. Fast ist es
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