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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt
Autoren: Alexa Hennig Lange
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und heult.«
    »Constanze?«
    »Ja, richtig.«
    »Wie kann das passieren? Ich denke, sie will sich ihr Studium mit Modeljobs finanzieren …«
    »Indem sie mit Helmuth Geschlechtsverkehr hatte.«
    Leute, ich will mir das besser nicht vorstellen. Helmuth hat ja so ein ganz heftiges Siebzigerjahre-Bett in seinem Schlafzimmer stehen. Das möchte er irgendwie nicht aufgeben, obwohl Cotsch schon ein paarmal bemerkt hat, dass sie eine stilvolle Frau ist, die ein stilvolles Bett benötigt. Helmuths Bett ist mit dunkelbraunem Flokati bezogen und in die Kopflehne ist ein Radio eingebaut. Wenn ihr mich fragt: Das Bett gehört in ein Museum für Geschmacksverirrungen. Sowieso ist Helmuths Einrichtung eine Vollkatastrophe. Alles, die Wände, die Teppiche, die Schränke und Sessel sind in Dunkelbraun mit einigen orangen und roten Farbklecksen gehalten.
Ich sage es gleich: Helmuth ist in meinen Augen ein echter Freak. Ich meine, er ist sehr nett. Er legt Cotsch die Welt zu Füßen. Für sie tut er alles, bis auf ein neues Bett besorgen. Er liebt sie so sehr, dass man sein Herz durch das weiße Tennis-Shirt rot leuchten sieht.
    Mama sagt noch immer nichts. Sie guckt Cotsch nur mit riesigen Augen an. Ich nicke zur Bestätigung herum, damit Mama weiß, dass wir uns mit ihr keinen Scherz erlauben. Auf diese Weise soll sie sich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass nicht nur Cotschs Leben, sondern gleich auch noch ihres im Eimer ist. Und dass sie sich mit Papa schleunigst eine neue Möglichkeit überlegen sollte, wie sie das Studium meiner Schwester finanzieren. Jetzt, wo sie mit dickem Bauch kein Supermodel mehr werden kann. Es sei denn, sie ist scharf drauf, Schwangerschaftsmode zu präsentieren. Meine Eltern behaupten ständig, dass wir kein Geld haben. Vielleicht kann Helmuth da aushelfen. Vermutlich ist er als Ehemann meiner Schwester sogar dazu verpflichtet. Ich hoffe, er hat vorsorglich was zur Seite gelegt.
    Überhaupt ist so eine Teenager-Schwangerschaft nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Das weiß ich, weil wir einmal im Gemeinschaftskundeunterricht total nervige Babypuppen von unserem Lehrer ausgeteilt bekommen haben, die wir mit nach Hause nehmen sollten, um zu kapieren, wie hart es ist, sich Tag und Nacht um einen schreienden Säugling zu kümmern. Leute, ich kann euch sagen: Es war die Hölle. Das blöde Plastikbaby hat die ganze Zeit was zu quaken gehabt. Ständig wollte es was trinken oder die Windeln waren voll. Irgendwann habe ich es genommen und in die Ecke geschleudert. Ich war
so was von am Ende. Meine Nerven lagen blank. Ich meine, ich kann für das Baby nur hoffen, dass Cotsch sich besser unter Kontrolle hat.
    Dabei fällt mir ein, dass ich Arthur dringend die welterschütternde Neuigkeit eröffnen muss. Der wird sich freuen. Nee, wirklich. Arthur freut sich immer, wenn neues Leben entsteht. Überhaupt hat er eine unglaublich soziale Ader. Der würde nie eine Babypuppe in die Ecke schleudern. Der würde ihr ein Schlaflied singen und ihr mit sanfter Stimme erzählen, wie golden ihre Zukunft aussehen wird. Arthur ist wie Jesus. Wirklich. Manchmal denke ich sogar, die beiden sehen sich ähnlich. Darf man so etwas eigentlich sagen oder ist das Gotteslästerung?
    Ich sage: »Ich meine, Arthur und ich können das Baby ja auch ab und an im Kinderwagen rumschieben.«
    Ist doch schick. Dann denken die Leute, dass es unser Baby ist, und finden, dass wir unheimlich verantwortungsbewusst aussehen, wie wir so minderjährig durch den Park schreiten und uns gegenseitig auf die wunderschöne Vegetation hinweisen, während Cotschs Säugling selig schlummert. An dieser Stelle möchte ich ganz klar darauf aufmerksam machen, dass Arthur und ich überhaupt eine sehr friedliche Beziehung führen. Wir streiten uns so gut wie nie. Das liegt aber auch daran, dass Arthur sehr entspannt ist. Ich für meinen Teil bin das eher nicht, weil ich die eine oder andere Macke von zu Hause mitbekommen habe. Seit meiner frühesten Jugend musste ich nämlich beobachten, wie aufreibend es zwischen Mama und Papa läuft. Ständig streiten die sich, oder Mama weint, weil Papa wieder mal keine Lust hat, sich emotional
auf sie einzulassen. Solche Eheprobleme hinterlassen Spuren. Auch bei den Kindern.
    Da hatte es Arthur definitiv einfacher. Seine Eltern sind bereits gestorben, als er dreizehn war. So hatte er gar keine Gelegenheit, sich die klassische Mann-Schrägstrich-Frau-Problematik reinzupfeifen und daran zu verzweifeln. Ich hingegen kann ganz
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