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Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Titel: Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Autoren: Herbert Dutzler
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beweisen lassen würde, davon war Gasperlmaier nicht überzeugt. Schließlich waren zwei der drei Täter tot.
    Als sie vor dem Haus der Kitzers hielten, folgte eine umständliche Prozedur des Aussteigens, Krücken-in-die-Hand-Nehmens und sie begleitender Schmerzenslaute. Nur kurz musste die Christine läuten, bis die Evi öffnete. Sie sah völlig verschrumpelt und verheult aus, fand Gasperlmaier. Überrascht starrte sie die Besucher an, während die Christine bat: „Lass uns hinein, Evi. Es ist wichtig.“
    Wortlos begleitete die Evi die beiden in die Küche, wo sich Gasperlmaier auf einen Sessel neben dem Esstisch plumpsen ließ, an dem er tags zuvor noch mit der Evi und dem Kahlß Friedrich ausgiebig dem Selbstgebrannten der Kitzers zugesprochen hatte. Gasperlmaier erinnerte sich, wie kratzbürstig die Natalie gestern noch gewesen war, obwohl die Sache mit dem Doktor Nagl-reiter da ja schon passiert war. Erst nach der Geschichte mit dem Stefan, dachte Gasperlmaier, ist sie also zusammengebrochen. Den Doktor, den hat sie noch verdrängen können. Seltsam, dachte Gasperlmaier, er konnte über die Todesfälle nur in Wörtern wie „Geschichte“ oder „Sache“ denken, das Wort „Mord“ wollte sein Hirn im Zusammenhang mit der Natalie nicht einmal denken.
    Weder Gasperlmaier noch die Evi machten Anstalten zu sprechen, worauf Gasperlmaier der Christine einen Blick zuwarf, von dem er hoffte, dass sie ihn verstehen würde: Sie sollte reden. Und die Christine ließ sich nicht lange bitten. Während sie der Evi langsam, in beruhigendem Tonfall, alles erzählte, was die Natalie und den Georg betraf, wurde deren Gesicht immer starrer. Gasperlmaier hatte das Gefühl, die Evi bekam gar nicht recht mit, was ihr da eigentlich erzählt wurde. Obwohl die Christine alles in Worte kleidete, die so schonend wie möglich ausfielen, schien die Evi einfach nicht in der Lage zu sein, all das Schreckliche aufzunehmen, mit dem sie sich jetzt konfrontiert sah. Bevor die Christine zum Ende der Geschichte kam, zu dem Vorfall im Haus der Naglreiters, fragte sie die Evi: „Evi, hörst du, was ich sage? Verstehst du mich?“ Rein mechanisch, wie es Gasperlmaier schien, bewegte die Evi den Kopf auf und ab.
    Gasperlmaier meinte zu spüren, dass der Schmerz in seinem Knie nachließ, am Ende begann die Schmerztablette doch zu wirken, was er schon nicht mehr geglaubt hatte. „Ich geh jetzt hinauf zur Natalie!“, sagte er, weil er fand, dass es Zeit war, mit dem Mädchen zu reden, mit der Evi mussten sie sich nicht zu zweit beschäftigen, die saß ohnehin völlig erstarrt auf der Küchenbank. Gasperlmaier schnappte sich seine Krücken und stellte fest, dass der Schmerz im Knie, wenn er es belastete, ein wenig dumpfer und leichter erträglich war. Ohne dass die Evi oder die Christine widersprochen hätten, machte er sich auf den beschwerlichen Weg die engen Stiegen hinauf, nur im Flüsterton fluchend, damit er sich nicht allzu früh verriet. Die Natalie fand er auf ihrem Bett vor, zusammengekauert und vollständig angezogen. Zwar hatte sie ihr Gesicht dem Gasperlmaier zugewandt, der jetzt nach einem Sitzmöbel Ausschau hielt, sie starrte aber ausdruckslos ins Leere. Der Georg, dachte Gasperlmaier bei sich, war der Einzige in der Familie, der seine Wut hatte herauslassen können, die Frauen fraßen offenbar alles in sich hinein und erstarrten dabei. Gasperlmaier angelte sich den Bürostuhl, der vor dem Schreibtisch der Natalie stand. Ein wenig mühsam war es, gleichzeitig mit den Krücken und dem Stuhl zu hantieren, bis Gasperlmaier schließlich die beiden lästigen Gehhilfen von sich warf, die lautstark zu Boden polterten. Schon fürchtete Gasperlmaier, die beiden Frauen unten könnten nachsehen kommen, ob oben etwas geschehen war, aber das konnte er jetzt auch nicht mehr ändern. Auf die Stuhllehne gestützt, schob er das Sitzmöbel in den engen Spalt zwischen Regal und Bett, ließ sich darauf nieder und konnte mit knapper Not den Sessel noch so drehen, dass er zur Natalie hinsehen konnte. Der Schmerz im Knie, den er dabei empfand, war wieder frisch und heftig, so als habe er sich gerade eben verletzt. Gasperlmaier stöhnte nur leise, mit Rücksicht auf die Natalie, deren Schmerz weit größer sein musste als sein unwesentlicher.
    Wie anfangen? Gasperlmaier mochte nicht herumreden. „Den Doktor Naglreiter, den hast nicht du umgebracht. Was du ihm getan hast, das war nur ein Kratzer.“ Zwar rührte sich die Natalie nicht, aber Gasperlmaier
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