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Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)

Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)

Titel: Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Autoren: Herbert Dutzler
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wie?“ Obwohl nicht gänzlich ausformuliert, verstand der Kurt seine Frage schon, und trotz des grauenhaften Funds musste der nun lachen. „Gasperlmaier, du glaubst doch nicht, dass der da auf der Trage heute abgestürzt ist? So schnell schaust du nicht so aus! Das dauert schon ein paar Monate.“ Das, was Gasperlmaier auf der Trage gesehen hatte, war ein völlig skelettierter Totenschädel gewesen.
    Der Kurt hielt ihm einen Flachmann hin. „Auf den Schreck, Gasperlmaier, brauchst du sicher einen Schnaps. Du bist ja fast so käsig im Gesicht wie unsere Leich da.“ Gasperlmaier nahm die metallene Flasche entgegen, wunderte sich ein wenig darüber, dass dem Kurt nicht davor grauste, ihm nach seinem Erbrechen seinen Flachmann zu reichen, nahm das Angebot aber dankbar an. Er nahm einen kräftigen Schluck, der bis hinunter in den Magen brannte. Dennoch fühlte sich Gasperlmaier sofort ein wenig entspannter. Am Ende war es doch nur der unerwartete Anblick gewesen. Wenn er sich jetzt, so dachte Gasperlmaier bei sich, dem grausigen Fund vorsichtig näherte, im Wissen, worum es sich handelte, würde er dem Anblick wohl standhalten können. Die Neugier siegte über die Angst, und Gasperlmaier wagte sich langsam hinter dem breiten Rücken des Kahlß Friedrich hervor. Schließlich stand er vor den Resten des Menschen, der dort oben unterhalb der Loserwand sein Ende gefunden hatte. Gasperlmaier trieb es eine Gänsehaut auf, als er sah, dass am Schädel noch ein paar Hautfetzen und etliche Strähnen lange, schwarze Haare hingen. Ob es sich um das Skelett einer Frau handelte? Um den Schädel flatterte eine zerfetzte rote Kapuze. Sonst lag da nur ein Häufchen kleinerer und ein paar Stücke größerer Knochen, sogar ein zerfetzter Bergschuh war dabei. Gasperlmaier wandte sich wieder ab.
    „Jetzt haben wir zwei Probleme“, meinte der Kahlß Friedrich gerade zum Kurt. „Erstens, weil ihr die Knochen da gefunden habt, und über den da“, er wies auf den Toten unter der Plane, „haben wir sicher keine Informationen. Zweitens haben wir noch diesen Anruf – heute soll ja auch jemand abgestürzt sein. Eine Frau.“ „Wir haben nur auf der Südseite gesucht, wir haben ja keinerlei Hinweis, wo der Absturz war. Bevor wir noch weiter nach Norden hinübergekommen sind, haben wir schon den da gefunden.“ Er wies auf den Schädel. „Und außerdem könnte die Frau ja wer weiß wo hinuntergefallen sein – vom Loserfenster, zum Beispiel. Das Gebiet ist so groß, wo da eine Leiche liegen könnte, da brauchen wir mehr Leute. Und vor allem genauere Hinweise. Weißt ja eh, dass hier im Toten Gebirge Leichen oft schon jahrelang gelegen sind, bis jemand ein paar Überreste gefunden hat.“
    Der Kahlß Friedrich nickte. „Ich besorg euch mehr Leute, die die möglichen Absturzstellen einmal oberflächlich absuchen. Wenn wir nicht schnell was finden, müssen wir heute sowieso Schluss machen.“ Der Friedrich blickte zum Himmel auf. „Und einen Hubschrauber …“ Er ließ den Satz unvollendet und wies nur mit einer unbestimmten Geste in die Nebelsuppe hinaus, die sie umgab.
    „Könnt’s ihr noch einmal hinauf?“, fragte er den Kurt noch. Der nickte. „Einmal geht schon noch. Gehst mit, Gasperlmaier?“ Der zuckte zusammen. Wieso sollte er mitgehen? Warum nicht der Friedrich? Er konnte ja inzwischen auf die Knochen aufpassen. Es verhielt sich nämlich so, dass Gasperlmaier, wenn er klaffender Abgründe und zerschrundener Steilabfälle ansichtig wurde, in ein ängstliches Zittern verfiel und keinen Schritt mehr vor den anderen zu setzen vermochte. Eingestehen allerdings wollte er das den Anwesenden keinesfalls, und so stieg ihm die Hitze ins Gesicht, ohne dass ihm sofort ein rettender Einfall zugeflogen wäre. „Ich hab ja gar keine Bergschuhe dabei!“, fiel es ihm schließlich ein, und erleichtert ließ er seine Arme sinken, die davor heftig in der Luft herumgerudert hatten. „Wenn’s nur das ist! Wir können dir ein Paar leihen. Was hast denn für eine Größe?“ Wieder schoss Gasperlmaier das Blut ins Gesicht, als der Friedrich, der als einer der wenigen um Gasperlmaiers Schwäche wusste, gelassen abwinkte. „Ich brauch ihn hier. Euch kann er ja eh nicht viel helfen.“ Gasperlmaier war gerettet.
    Doch nur vorläufig, denn gerade, als sich die Bergrettungsleute wieder abwandten und zum Steig hinüberstapften, der zum Losergipfel führte, sagte der Friedrich zu ihm: „Deckst ihn wieder zu? Ich kümmer mich um die Verstärkung.“
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