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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra
Autoren: Lindsey Davis
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öffentlichen Gebäuden, dazu enge Behausungen für die einfacheren Leute, die je aus einer quadratischen Hütte hinter einem ummauerten Hof bestanden. Ich hatte ein Zimmer für uns gefunden, dessen Preis klarmachte, wie genau man in Petra den Wert eines geschlossenen Raumes mitten in der Wüste kannte. Den Abend verbrachte ich damit, die Mauern im Norden und Süden der Stadt auszukundschaften. Sie waren nichts Besonderes, weil es die Nabatäer seit langem vorzogen, Verträge zu schließen, statt Feindseligkeiten abzuwehren – ein Trick, den sie noch dadurch vervollkommneten, daß sie die Invasionstruppen durch die Wüste und auf den längsten und schwierigsten Routen nach Petra führten. Die Truppen waren deshalb bei ihrer Ankunft viel zu erschöpft zum kämpfen. (Den meisten Armeen fehlt einfach Helenas Zähigkeit.)
     
    Der Blick, den sie mir jetzt zuwarf, machte sie weit attraktiver als jede Armee. Sie war gegen die Hitze völlig in Stolen eingewickelt und wirkte kühl, obwohl ich ihre Wärme an meinem Körper spüren konnte. Sie roch nach süßem Mandelöl.
    »Es ist wunderschön hier«, gab sie zu. Ihre Stimme war zu einem Murmeln herabgesunken. Ihre dunklen Augen blitzten immer noch, aber ich hatte mich damals in eine wütende Helena verliebt; sie war sich ihrer Wirkung auf mich durchaus bewußt. »Mit dir kriege ich wirklich die Welt zu sehen.«
    »Wie überaus großzügig.« Ich wehrte mich zwar immer noch, jetzt aber mit dem vertrauten Gefühl unmittelbar bevorstehender Kapitulation. Unsere Blicke trafen sich. Ihrer war nicht vernichtend, wenn man sie kannte, sondern voller Humor und Klugheit. »Folgst du etwa dem örtlichen Brauch der Friedensverhandlungen, Helena?«
    »Besser, das zu bewahren, was man hat«, stimmte sie zu. »Das gefällt mir an diesen Peträern.«
    »Danke.« Ich verhandle gern lakonisch. Hoffentlich hatte Helena noch nichts von einem weiteren politischen Brauch der Nabatäer gehört: Ihre umgestimmten Feinde mit gewaltigen Schätzen wegzuschicken. Dazu war Falcos Börse, wie üblich, nicht in der Lage.
    »Ja, du kannst die üppigen Geschenke überspringen«, meinte sie lächelnd, obwohl ich nichts gesagt hatte.
    Ich machte meine Rechte geltend und legte auch den anderen Arm um sie. Das wurde als eine der Vertragsbedingungen akzeptiert. Nun ging es mir schon wesentlich besser.
    Die Sonne brannte auf die leuchtenden Felsen herunter, an denen sich Büschel dunkler Tulpen mit staubigen Blättern zäh festklammerten. Die Stimmen vor uns waren inzwischen außer Hörweite. Wir waren allein in der warmen Stille.
    Helena und ich hatten so unsere Erfahrungen mit Stelldicheins unterhalb berühmter Berggipfel. Ein Mädchen zu einem großartigen Aussichtspunkt mitzunehmen, dient meiner Meinung nach einem einzigen Zweck, und wenn ein Mann das gleiche Ziel schon auf halber Höhe erreichen kann, bleibt ihm genug Kraft für wichtigere Dinge. Ich zog Helena näher und machte mich daran, so viel von ihr zu genießen, wie sie mir neben einem öffentlichen Fußweg, der womöglich von strengblickenden Priestern frequentiert wurde, zugestehen würde.

VI
    »Sag mal, war es tatsächlich ein Versehen?« fragte mich Helena einige Zeit später. Das Mädchen war wirklich nicht leicht abzulenken. Wenn sie dachte, die mir zugestandenen Küsse hätten mich erweicht, so lag sie richtig.
    »Anacrites nicht zu erwähnen? Selbstverständlich. Ich belüge dich nicht.«
    »Das sagen Männer immer.«
    »Klingt, als hättest du mit Thalia geplaudert. Ich kann nicht für all die anderen verlogenen Mistkerle verantwortlich gemacht werden.«
    »Und du sagst das meist mitten in einem Streit.«
    »Hältst du das für einen dummen Spruch von mir? Da irrst du dich, liebe Dame! Doch selbst wenn es stimmen würde: Wir müssen uns ein paar Fluchtwege offenlassen. Ich möchte gern mit dir zusammen überleben«, erklärte ich fromm. (Offenheit wirkte auf Helena immer entwaffnend, weil sie von mir Verschlagenheit erwartete.) »Du nicht auch?«
    »Ja«, erwiderte sie. Helena spielte mir gegenüber nie die Spröde. Ich konnte ihr sagen, daß ich sie liebte, ohne verlegen zu werden, und ich wußte, daß ich mich auch auf ihre Offenheit verlassen konnte: sie hielt mich für unzuverlässig. Trotzdem fügte sie hinzu: »Ein Mädchen reist nicht mit einer bloßen Mittwoch-Nachmittags-Tändelei um die halbe Welt.«
    Ich küßte sie erneut. »Mittwoch nachmittag? Ist das der Tag, an dem sich die Töchter und Frauen von Senatoren die Gladiatoren
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