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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra
Autoren: Lindsey Davis
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gefährlicher Idiot sei, weil ich uns hierher geführt hatte.
    Das verlangte nach einer gelassenen Antwort; ich gab mich nonchalant: »In religiöse Angelegenheiten mische ich mich nie ein, vor allem, wenn der Gott des Berges womöglich ein Menschenopfer verlangt.« Wir wußten wenig von der Religion der Peträer, nur daß ihr Hauptgott durch Steinblöcke symbolisiert wurde und daß diese seltsame, mysteriöse Gottheit angeblich nur durch blutrünstige Opferrituale auf dem von ihm beherrschten Berggipfel zu besänftigen war. »Meine Mutter hätte es gar nicht gern, wenn ihr Goldjunge diesem Dushara geopfert würde.«
    Helena sagte nichts.
    In der Tat sagte Helena während des ganzen Aufstiegs so gut wie nichts. Wir hatten eine gewaltige Auseinandersetzung der stummen Art. Aus diesem Grund hörten wir zwar die beiden Männer vor uns, ihnen war aber höchstwahrscheinlich nicht klar, daß wir ihnen folgten. Wir unternahmen nichts, um auf uns aufmerksam zu machen. Zu dem Zeitpunkt schien das unwichtig.
    Ich entschied, daß die beiden Stimmen kein Grund zur Aufregung waren. Selbst wenn es Priester sein sollten, gingen sie bestimmt nur hinauf, um die Reste der gestrigen Opferung aufzukehren (in welch unappetitlicher Form die auch stattgefunden haben mochte). Es mochten Einwohner Petras auf einem Picknickausflug sein. Wahrscheinlich waren es aber Touristen wie wir, die aus reiner Neugier zu diesem himmelhohen Altar hinaufkeuchten.
    Also kletterten wir weiter, mehr mit der Steilheit des Pfades und unserem Streit beschäftigt als mit irgend etwas um uns herum.
     
    Verschiedene Wege führten zum Hohen Opferplatz. »Irgendein Spaßvogel unten beim Tempel wollte mir weismachen, daß auf diesem Weg die als Opfer auserkorenen Jungfrauen hinaufbefördert werden.«
    »Dann hast du ja nichts zu befürchten!« geruhte Helena zu murmeln.
    Wir waren die zunächst ganz harmlos wirkenden Stufen links vom Theater hinaufgeklettert. Sie wurden rasch steiler und waren neben einer engen Schlucht in den Fels gehauen. Anfangs waren wir auf beiden Seiten von Felsen eingeschlossen, die kunstvoll behauen drohend den Weg überragten; bald kamen wir zu einem nach rechts führenden schmalen, zunehmend spektakulärer werdenden Hohlweg. Grünpflanzen hatten an seinen Seiten Fuß gefaßt – speerblättriger Oleander und Tamarisken, die zwischen den roten, grauen und bernsteinfarbenen Steinformationen wuchsen. Diese waren am auffälligsten an den unbewachsenen Stellen, wo man sehen konnte, mit welcher Hingabe die Nabatäer beim Aushauen ihrer Prozessionsstiege die seidenweichen Muster des Sandsteins freigelegt hatten.
    Das war kein Ort der Eile. Der sich windende Pfad führte durch einen felsigen Korridor und über die Schlucht, wo er sich kurz zu einem etwas offeneren Platz erweiterte. Dort blieb ich zum ersten Mal stehen, schnappte nach Luft und beschloß, noch mehr solche Pausen einzulegen, bevor wir den höchsten Punkt erreichten. Auch Helena war stehengeblieben, tat aber so, als hielte sie nur an, weil ich ihr im Weg war.
    »Willst du an mir vorbei?«
    »Ich kann warten.« Sie rang nach Luft. Ich grinste sie an. Dann drehten wir uns um. Auch von hier aus war der Blick auf Petra und den breitesten Teil der Schotterstraße, die sich am Theater und einigen geschmackvollen Felsengräbern vorbei zu der weiter entfernt liegenden Stadt schlängelte, bereits wunderschön.
    »Willst du den ganzen Tag mit mir streiten?«
    »Wahrscheinlich«, grummelte Helena.
    Beide versanken wir wieder in Schweigen. Helena betrachtete die staubigen Riemen ihrer Sandalen. Sie dachte offenbar über die Ursache unseres Streites nach. Ich blieb still, weil ich wie üblich nicht genau wußte, worum es eigentlich ging.
     
    Nach Petra zu kommen, war nicht so schwierig gewesen wie befürchtet. Anacrites hatte voller Wonne angedeutet, daß meine Reise hierher mit unüberwindlichen Hindernissen gespickt sein würde. Ich hatte uns einfach per Schiff nach Gaza gebracht. Dort hatte ich einen Ochsenkarren »gemietet« – zu einem exorbitanten Preis, der mindestens der Kaufsumme gleichkam –, ein Transportmittel, mit dem ich viel Erfahrung hatte, und mich dann nach den Handelswegen erkundigt. Fremde wurden in diesem Gebiet nicht zu Reisen ermutigt, aber Karawanen bis zu tausend Tieren durchquerten Nabatäa jedes Jahr. Sie erreichten Petra aus verschiedenen Richtungen und trennten sich nach Verlassen der Stadt wieder. Manche zogen westwärts nach Nordägypten. Andere nahmen die durch
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