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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal
Autoren: Thilo Scheurer
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alles in Ordnung?«
    Mehmet antwortete nicht, sondern stieg in seinen BMW und knallte dem verdutzten Mann die Tür vor der Nase zu. »Scheiß-Fiesta«, murmelte er und lehnte sich zurück in den Sitz.

3
    Montag, 10.   April
    Hektisch schob sich der Scheibenwischer über die Frontscheibe von Treidlers dunkelblauem 190er-Mercedes. Doch das altersschwache und längst poröse Gummi schaffte es nicht, den Wasserfilm zu beseitigen. Jedes Mal blieb eine Handvoll daumendicker Schlieren zurück und beeinträchtigte die Sicht auf den vorausfahrenden Verkehr. Der schwarze Belag der vierspurigen A 81 glänzte durch die fleckigen Glasscheiben und verstärkte den Effekt weiter. Nach über zwölf Stunden hatte es erst vor Kurzem aufgehört zu regnen. Es war kein starker Landregen gewesen wie sonst im April, sondern ein feiner Nieselregen, der an allem und jedem haftete wie Schweiß. Trotzdem brachte es auch diese Art von Niederschlag auf eine enorme Wassermenge innerhalb eines Tages. Und bei den lausigen Temperaturen würde es noch gut und gerne ein paar Stunden dauern, bis alles abgetrocknet war.
    Gleich nach der Auffahrt Rottweil traf die Fontäne aus den Zwillingsreifen eines Lastwagens Treidlers Frontscheibe und machte ihn für einen Augenblick blind wie ein Maulwurf.
    »Verdammter Trottel«, fluchte Treidler lauthals los und nahm den Fuß vom Gas, bis er halbwegs erkennen konnte, wo auf der Fahrbahn er sich befand. »Ich verpass dir gleich einen fetten Strafzettel.« Freilich waren die aufspritzenden Wassermassen viel zu dicht, um das Kennzeichen des weißen Ungetüms zu erfassen. »Glück gehabt, Blödmann.« Er drückte die Musikkassette in das altertümliche Kenwood-Abspielgerät im Armaturenbrett.
    Aus den Lautsprechern im Fond drangen die Glockenschläge aus AC / DC s »Hells Bells«, und Sekunden später setzte Agnes Young zum Gitarrensolo an. Treidler nickte im Takt und kramte in der Manteltasche nach einem Kaugummi, um den schlechten Geschmack im Mund zu vertreiben. Zur gleichen Zeit klingelte in der anderen Tasche sein Mobiltelefon.
    Warum zum Teufel mussten ihm heute Morgen alle Menschen auf die Nerven gehen? Ohne die Hand aus der Tasche zu nehmen, kramte er mit der anderen nach dem Telefon. Sofort zog der Mercedes nach rechts, Richtung Seitenstreifen. Mit den Knien am Lenkrad, versuchte Treidler das Fahrzeug in der Spur zu halten. Schon einen Moment später wies ihn penetrantes Hupen darauf hin, dass er so den Wagen nicht kontrollieren konnte.
    Als er das Telefon schließlich in Händen hielt, gab es keinen Ton mehr von sich. Er schaute auf das Display. Natürlich – wer sollte es sonst sein? Melchior. Vermutlich wollte sie wissen, ob er inzwischen unterwegs war. Treidler warf das Gerät in die Mittelkonsole, wo es zwischen alten Papiertaschentüchern und einer ramponierten Parkscheibe liegen blieb. Dann endlich hatte er einen Kaugummi gefunden. Allerdings ohne Silberpaper – dafür mit reichlich Krümeln und Wollfusseln. Er blies die Fusseln weg, kratzte mit dem Daumennagel das grobe Zeug herunter und schob sich den Streifen in den Mund. Er war steinhart und schmeckte nach nichts.
    Am Fahrbahnrand kündigte das blaue Schild mit drei Streifen die Ausfahrt zur Autobahnraststätte Neckartal in dreihundert Metern an. Treidler schob den Hebel für den rechten Blinker nach oben. Als das charakteristische Geräusch des schaltenden Relais ausblieb, erinnerte er sich, dass er vor Wochen nach dem Blinker hatte schauen lassen wollen. Immer bei Regen versagte das Scheißteil seinen Dienst. Doch vermutlich würde er sich beim nächsten Regen erneut darüber aufregen. Obwohl sein Mercedes inzwischen gut zwanzig Jahre auf dem Buckel hatte und keine Macke ausließ, mochte er das Fahrzeug. Nach dem Tod seiner Frau vor über zwei Jahren gab es nur noch wenige Fixpunkte in Treidlers Leben. Und der Wagen gehörte dazu.
    Wo genau der Tankwart den Toten gefunden hatte, war nicht zu übersehen. Halb verdeckt vom Raststättengebäude drehten sich die Signallichter der Einsatzfahrzeuge und streckten ihre blassblauen Finger über den nassen Asphalt. Der Tatort war obligatorisch mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Dahinter hantierte ein gutes Dutzend Menschen neben einem alten weißen Opel Kadett, dessen Rostflecken an Kotflügel und Türen schon von Weitem zu erkennen waren.
    Treidler brachte seinen Mercedes direkt vor dem Absperrband zum Stehen und stieg aus.
    »Wo ist Melchior?«, rief er gegen den Krach der vorbeifahrenden
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