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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal
Autoren: Thilo Scheurer
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und schien dabei noch eine Spur kleiner zu werden. Am liebsten wäre er vermutlich im Boden versunken.
    »Wie ist denn Ihr Name?«, fragte Melchior weiter.
    »Sein Name ist Richter, Emil Richter«, antwortete der Anzugträger statt des Grauhaarigen. »Er ist … na, wie soll ich sagen? … Etwas zurückhaltend.«
    Treidler warf dem Mann einen prüfenden Blick zu. Auch er hatte einen außergewöhnlich blassen Teint und trat unruhig von einem Fuß auf den andern. Gleichwohl wirkte alles an ihm wie aufgesetzt. Das Haar war mit zu viel Gel zurückgekämmt, die Strähnchen darin eine Spur zu blond. Das Goldkettchen an einem Handgelenk und die klobige Designeruhr am anderen erinnerten Treidler mehr an einen Zuhälter denn an einen Geschäftsmann. Der dunkelblaue Nadelstreifenanzug saß maßgeschneidert, konnte jedoch die etwas dickliche Statur des Mannes kaum kaschieren. Darunter trug er ein weißes Hemd und eine himbeerfarbene Seidenkrawatte. Seine Füße steckten in schwarzen Lackschuhen, als ob er just in diesem Augenblick vom Tanzen abgehalten worden wäre.
    »Und wer sind Sie bitte?« Treidler zog eine Augenbraue hoch. Er konnte seine Abneigung gegen den Mann nur schwer verbergen.
    »Mein Name ist Jan Schmelzer«, entgegnete der mit einem leichten niederrheinischen Akzent. »Ich bin Pächter dieser Raststätte. Das ist eine schlimme Sache mit dem Toten. So was ist hier noch nie passiert. Die ganzen acht Jahre, seit ich hier bin, noch nicht.« Er versuchte sich mit einem unverbindlichen Lächeln. »Ich weiß, dass Sie Ihren Job gewissenhaft machen müssen. Aber … das Leben geht weiter. Und Sie blockieren mit Ihrer Absperrung die Dieselspur für die großen Lastwagen. Deshalb gestatten Sie mir die Frage: Wie lange werden Sie brauchen, bis Ihre Untersuchungen hier abgeschlossen sind?«
    »Das weiß ich noch nicht, Herr Schmelzer«, sagte Treidler. »Doch ich kann Ihnen versichern, dass wir daran arbeiten.«
    »Gut. Herr Richter«, Melchior suchte den Blick des Grauhaarigen, »wissen Sie, seit wann der weiße Opel Kadett schon hier steht?«
    »Koi Ahnung.« Der Tankwart sah zu Boden. »Mei Schicht hedd ersch um halb acht agfanga, und do isch der Op’l scho da gschdanda.«
    »Seine Schicht hat erst um halb acht begonnen, und da stand der Opel schon da«, übersetzte Treidler.
    Melchior nickte.
    »Aber der alde Karra isch mir glei aufgefalla.« Richter versuchte, seinen schwäbischen Dialekt so gut es ging zu unterdrücken.
    »Warum?«
    Richters kleiner Ausflug ins Hochdeutsche zeigte Wirkung. Melchior hatte verstanden.
    »Na, die polnisch Autonummer.« Richter schaute auf. Zum ersten Mal lag so etwas wie ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Die Parkreih liegt z’weit vom Klo und der Raststätt entfernt. Do parked normalerweis nur Leit, die hier arbeited.« Sein Blick wanderte wieder zu Boden und verharrte auf einem imaginären Punkt zwischen seinen Füßen.
    »Und weiter?«
    »Jo, dann bin ich halt zum Fahrzeig und han neig’schaut«, berichtete er weiter, während sein Dialekt wieder breiter wurde. »Ich han glei g’seha, dass der dod isch. Der hedd jo da Mund so komisch offa und dann des Loch midda uff da Stirn.« Er sah wieder zu Melchior hoch und versuchte sich mit einer Grimasse, die vermutlich den Gesichtsausdruck des Toten darstellen sollte.
    »Er hat in das Fahrzeug geschaut und gleich erkannt, dass der Mann tot ist, weil …«, übersetzte Treidler wieder.
    Doch Melchior winkte ab. »Ich hab’s verstanden und auch … gesehen.« Sie wandte sich an Schmelzer. »Und Sie? Haben Sie etwas bemerkt?«
    »Nein, ich bin erst nach den Streifenwagen gekommen. Der Herr Richter hat mich angerufen. Stimmt’s, Emil?«
    Der Tankwart nickte.
    »Wird die Rastanlage videoüberwacht?«
    »Natürlich. Die Kameras reichen allerdings nur bis zu den Zapfsäulen.«
    »Das ist schlecht«, sagte Melchior. »Aber Sie können uns sicherlich eine Liste mit den Personen geben, die seit gestern Abend – sagen wir ab neun Uhr – hier gearbeitet haben.«
    »Klar kann ich das.« Schmelzer verzog das Gesicht zu einem hilfsbereiten Lächeln, das aussah, als ob er es vor dem Spiegel einstudiert hätte. Als weder Treidler noch Melchior reagierten, sanken seine Mundwinkel nach unten. »Wie? Jetzt gleich?«
    Treidler und Melchior nickten.
    »Wenn es sein muss. Geben Sie mir eine Viertelstunde, und ich besorge Ihnen die Namen.« Schmelzer stapfte in Richtung des Raststättengebäudes davon.
    »Und wir benötigen sowohl die Telefonnummern wie
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