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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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einmal die Knöpfe und Taschen seines Mantels gewesen waren. Jetzt musste sie nur noch eine Möglichkeit finden, die Muschelschale zu öffnen und Blüstav dazu zu bringen, den Schnee zurückzugeben.
    Die alten Schachteln hatten es nicht geschafft. Nicht einmal Letties Mutter hatte es geschafft. Wie sollte Lettie es dann schaffen?
    Auf dem chaotischen Deck schaute sie sich nach einem Werkzeug um. Sie versuchte es mit einem Flaschenzug und Seilen, aber die Schale blieb verschlossen. Und das Wasser stieg immer höher.
    Lettie presste das Ohr an die Muschel, lauschte dem Rumpeln darin. Sie hörte Blüstavs Angst und seine Habgier. Und dann begann sie zu flüstern, aber nicht an ihn gerichtet, sondern an die Wolke.
    »Hallo, Schneewolke. Du bist zornig, nicht wahr? Ich kann dich grummeln hören. Ich habe deinen Donner erlebt. Du bist gefangen. Ich weiß, wie sich das anfühlt, Wolke. Ich war nämlich genauso lange gefangen wie du.«
    Unter Blüstavs Muschelschale verstummte das Grollen, als würde die Wolke ihr zuhören. »Aber wir können einander helfen, Wolke«, fuhr Lettie fort. »Wir können einander befreien. Wenn du wieder frei am Himmel schwebst, werde ich hier unten frei sein. Ich werde dich nie gefangen nehmen, sondern dich frei über die ganze Welt wandern lassen. Du sollst überall dort Schnee herabrieseln lassen, wo du möchtest. Aber dazu musst du mir jetzt erst mal helfen. Ich bekomme dich nämlich nicht allein aus dieser Schale heraus.«
    Und dann hörte Lettie, wie das Grummeln wieder einsetzte, stärker und heftiger und wütender als je zuvor.
    »Ja, genau so!«, rief sie. »Kämpfe, Schneewolke! Kämpf dich frei! Ich weiß, dass du es kannst!«
    Und die Wolke kämpfte, kämpfte mit aller Macht um ihre Freiheit. Lettie kämpfte mit, setzte all ihre Kraft ein, um Blüstav aufzuzwingen … Die Wolke donnerte und brüllte … Lettie zog und zerrte und schwitzte – und dann, auf einmal, spürte sie, wie Blüstav nachgab …
    Die Schale öffnete sich einen Spalt. Letties Hände zitterten, so sehr versuchte Blüstav, sich wieder zu verschließen. Sie erspähte einen Blick auf die Wolke, die wie eine Perle zwischen seine harten Muschelkiefern verborgen lag.
    Aber jetzt gab es kein Halten mehr: Mit einem Stoß rutschte die Wolke hinaus und erhob sich in die Lüfte.
    Sie sah verändert aus. Nach all der Zeit unter Blüstavs Mantel hatte sie sich rosa verfärbt.
    Wieso rosa? , fragte sich Lettie.
    Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das Gastromajus, das Blüstav getrunken hatte, war rosa gewesen. Die Wolke hatte das Mittel wie ein Schwamm aufgesaugt, und jetzt, da sie wieder frei war, würde sie es jeden Moment ausspucken.
    Du musst dich in Sicherheit bringen, Lettie Peppercorn!
    Sie duckte sich zu Boden, gerade als die Wolke dunkel und prustend über sie hinwegflog. Es war, als brüte sie einen Wirbelsturm aus. Diese Wolke würde jeden verwandeln, den sie berührte – und zwar in seine letzte Mahlzeit!
    Lettie rannte los, suchte nach einem Versteck. Die Wolke erhob sich über das Schiff. Lettie musste von hier verschwinden, bevor es auf sie herabregnete. Sie lief an den zwei alten Schabracken vorbei. Da! Zur Linken erblickte sie Noah, der besorgt um die Blutkübel herumschwamm. Sie rief nach ihm, und sofort kam er angeschwommen, sodass sie auf ihn überspringen konnte. Eine dicke rosa Schneewolke schwebte an ihrem Fuß vorbei, als sie nach Noahs Baum griff.
    »Das Gör!«, kreischte das Walross.
    »Vergiss das Gör!«, schrie die Glotzerin. »Pass auf die Wolke auf! Die ist raus! Und schwebt direkt über uns!«
    Die Wolke erbebte und blähte sich, bereit zu explodieren.
    »Ja, lass deinen Schnee auf uns herabregnen!«, brüllte die Glotzerin. Mit ihrer Sucherbrille hätte sie sofort bemerkt, dass die Wolke mit Gastromajus vollgesogen war. Aber ohne sie war sie blind, und das Walross war dumm. Daher reckten sie beide ihre Hände den herunterrieselnden rosa Flocken entgegen und jubelten.
    »Schnee!«, sangen sie im Chor. »Schnee! Schnee! Schnee!«
    Sie sangen immer noch, als die Wolke aufbrach und sie von Kopf bis Fuß mit einer dicken Schicht rosa Schnee überzog.
    Noahs Blätter bewahrten Lettie davor, mit den Flocken in Berührung zu kommen. Sie klammerte sich an den Stamm und sah zu, wie sich das Gastromajus über das Walross und die Glotzerin ergoss.
    Plötzlich rannten sie heulend und kreischend davon, aber da war es bereits zu spät. Sie befanden sich inmitten des Sturms, und die
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