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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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bepuderte Tauschdorfs Dächer mit einem zarten Weiß. Die Leute kamen aus ihren Häusern gelaufen, um den Schnee zu bewundern. Kinder streckten die Zunge heraus, um ihn zu schmecken.
    Als Lettie am Morgen aufwachte, war Tauschdorf wie verwandelt. Auf einmal wirkte es blitzsauber unter seiner blütenweißen Schneedecke. Zu Milliarden waren die Flocken herabgefallen, und es schneite immer noch.
    »Schaut euch das mal an!« Lettie hauchte die Fensterscheibe an. »Alles weiß, strahlend weiß. Es ist, als hätte sich das hässliche Entlein in einen schönen Schwan verwandelt.«
    Sie rannte nach draußen und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Die ganze Stadt lag schweigend da. Lettie kletterte die Leiter hinunter, übersprang die letzten Sprossen und landete mit einem Knirschen, das sie nie wieder vergessen würde, im Schnee. Sie lächelte.
    »Und kein einziger Stein weit und breit«, sagte ihre Mutter über ihr.
    Lettie wirbelte lachend herum. Dann hob sie eine Handvoll Schnee auf und warf sie mit aller Kraft ihrer Mutter entgegen. Und so nahm dort, in der Essiggasse, die erste Schneeballschlacht der Welt ihren Lauf.
    Die letzte Ankunft ereignete sich kurz nach einem Sturm am Strand von Tauschdorf. Letties Vater suchte gerade das Treibgut nach brauchbarem Feuerholz ab, als er es entdeckte. Ganz allein schleifte er seinen Fund am Strand hoch und die Essiggasse entlang, was angesichts des hohen Schnees Stunden dauerte. Als er am Brunnen angekommen war, rief er um Hilfe.
    Lettie hatte ihren Vater samt seiner Last schon vom Küchenfenster aus durch ihr Fernrohr entdeckt.
    »Papa hat ihn gefunden!«, rief sie dem verdutzten Periwinkle zu. »Er hat ihn gefunden! Er hat ihn gefunden!«
    Innerhalb weniger Minuten hatte ihre Mutter aus ein paar alten Seilen, drei Nägeln und einem Geschirrtuch einen Flaschenzug gebastelt. Mit vereinten Kräften hievten sie die Muschel ins Haus. Lettie half mit, Blüstav auf den Tisch zu heben, und ihre Mutter stemmte seine Schale mithilfe einer Feder und eines Löffels auf. Zu dritt schaufelten sie die Reste des Gastromajus heraus, die noch in der Muschel herumschwebten.
    »Er wird sich bald zurückverwandeln«, sagte Lettie. »Wir sollten ihm eine Nachricht schreiben, damit er gleich Bescheid weiß, wenn er wieder er selbst ist.«
    »Ja, und ich weiß auch schon genau, was ich schreiben werde«, sagte ihre Mutter.
    Sie kritzelte auf ein Stück Papier:
Rezept für Schnee
Ein noch nie dagewesenes meteorologisches Phänomen
    »Aber du kannst ihm doch nicht das Rezept verraten!«, wandte Lettie ein. »Dann fängt er gleich wieder an, die Leute hereinzulegen!«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach ihre Mutter. »Der Schnee wird sich auf der ganzen Welt verbreiten, und wir werden nach Kräften dabei helfen. Du wirst sehen, bald gewöhnen sich die Leute so sehr daran, dass sie überzeugt sind, den Schnee gibt es schon seit Menschengedenken.«
    »Aber warum willst du ihm dann das Rezept geben?«
    Ihre Mutter legte den Stift beiseite und faltete den Zettel zusammen. »Weil ein Rezept nur eine Wegbeschreibung ist. Wenn er den Schnee selbst herstellen kann, gibt es keinen Grund mehr, habgierig zu sein. Dann wird er endlich seine Vorstellungskraft wiederfinden.«
    »Na los«, sagte Letties Vater. »Nimm Perinwinkle mit, wir gehen nach draußen. Ich möchte dir etwas zeigen, Lettie.«    
    Sie ließen Blüstav allein und kauerten sich in den Schnee. Es schneite nicht mehr. Lettie sah nach oben. Der Himmel hellte sich auf, die Wolke schob sich Richtung Osten.
    »Wir müssen ihr folgen, nicht wahr?«, fragte Lettie.
    Ihre Mutter nickte. »Der Schnee wird bald anfangen zu schmelzen, und dann kommen die Steine wieder zum Vorschein.«
    »Aber wovon sollen wir leben? Wir haben kein Geld, kein Haus, gar nichts.«
    »Wir ziehen von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt«, erklärte ihr Vater. »Wir folgen einfach der Schneewolke. Mal sehen, wohin sie uns führt.«
    »Wohin auch immer der Wind weht«, sagte ihre Mutter.
    »Und wo wird das sein?« Letties Vater klang ganz aufgeregt. »Edenborg? Madri? Prais? Kiln?«
    »Wohin auch immer, es wird ein großes Abenteuer«, erwiderte Teresa. »Und wir vier werden wieder zu einer richtigen Familie zusammenwachsen.«
    »Nein!«, widersprach Lettie. »Das wird kein großes Abenteuer, ganz und gar nicht.«
    Ihre Eltern sahen sie mit besorgter Miene an.
    »Sondern?«, fragte ihr Vater.
    Lettie band sich die Schnürsenkel, knöpfte den Mantel zu und setzte sich Periwinkle
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