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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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außer einer großen Wasserfontäne, als Noah ins Wasser stürzte.
    »Ganz schön viele Spritzer für so einen kleinen Jungen.«
    »Als er ins Wasser fiel, war er kein kleiner Junge mehr«, sagte Rotz-Hotte Charlie nervös.
    »Sondern?«, fragte Tranmann Johnson.
    Und sie hätten noch länger diskutieren können, wäre ihre Aufmerksamkeit nicht auf den Eisberg gelenkt worden, dessen Spitze nun endgültig abbrach und ins Meer stürzte.
    »Volle Kraft zurück!«, rief der Käpt’n Heizer Pete zu, und die Schiffsschrauben begannen sich zu drehen. Die Blutkübel wich vor den herabregnenden, krachenden Eisbrocken zurück.
    »Der Junge muss ertrunken sein«, sagte Tranmann Johnson.
    »Und was ist mit dem Mädchen?«, fragte Käpt’n McNulty. »Hat die einer von euch gesehen?«
    Rotz-Hotte Charlie zuckte mit den Schultern. »Wenn sie nicht vom Eis zerschmettert wurde, wird sie sicher auch ertrinken.«
    »Sicher?«, hakte die Glotzerin nach.
    »Hundertprozentig. Das Meer ist ein durstiges Ungeheuer. Es schluckt alles herunter, was es kriegen kann.«
    Die Glotzerin wischte sich grinsend die Hummerfetzen von den Lippen. »Wunderbar! Dann sind wir nun auch die letzten Zeugen los. Leute, wir sind hier fertig. Jetzt können Sie sich mit dem Öffnen der Muschel Zeit lassen. Käpt’n McNulty, nehmen Sie Kurs auf Tauschdorf!«

6. Kapitel
    Noahs Wiederkehr

    An einem Stück glitt das Labor den Eisberg hinunter und landete im Wasser – mit einem Klatschen wie von einer Hand, die eine riesige Trommel schlägt. Sofort drang Wasser ein. Lettie hörte nur das Dröhnen des Meeres, sah nur Dunkelheit und Luftblasen, schmeckte nur Salz. Und wo war unten und oben? Oh, es war so kalt, so kalt, als würde sie durch Äther schwimmen.
    Jetzt nicht untergehen, Lettie Peppercorn! Schwimm nach oben und such dir etwas zum Festhalten, bis Noah zurückkommt. Noah wird zurückkommen.
    Ihre Finger ertasteten den Rahmen des offenen Fensters, und sie schwamm hindurch. Strömungen wirbelten sie herum, zerrten sie nach oben, dann wieder in die Tiefe.
    Endlich brach sie durch die Oberfläche. Sie schnappte nach Luft und trat das Wasser mit aller Kraft, um oben und am Leben zu bleiben. Sie strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht und sah sich nach etwas um, an das sie sich klammern konnte, während sie auf Noah wartete. Oder auf das Wesen, in das Noah sich verwandelt haben mochte. Aber da war nichts außer Meerschaum und endlose Wellen. Mit jeder Sekunde wurden Letties Beine kraftloser. Das Gewicht ihres Vaters zog an ihr. Jeder Atemzug fiel ihr schwerer als der vorhergehende.
    Als Lettie wieder unterging, drang das Meer ihr in die Ohren, in die Augen, in den Mund. Sie ballte die Fäuste, aber die Kälte raubte ihr alle Kraft. Stückchen für Stückchen entfernte sich die Wasseroberfläche von ihr. Ihre Beine waren taub, und sie hätte nicht mehr sagen können, ob sie noch strampelten oder längst aufgegeben hatten.
    Und da kam Noah und hob sie mit seiner großen blauen Flosse an die Oberfläche. Frierend und reglos blieb sie liegen, bis sie schließlich zu husten, zu würgen und wieder zu atmen anfing.
    Es dauerte lange, bis Lettie auf ihrem Noah-Floß wieder richtig zu Atem kam. Glasglocken und Fetzen von Lehnsesseln schwammen zwischen großen Eisschollen an ihr vorbei. Lettie betrachtete die Flosse unter sich. Als sie verwundert hochschaute, blickte sie in ein Auge, das größer war als sie, dazu apfelgrün und trotz der Größe irgendwie scheu.
    »Noah?«, fragte Lettie. »Bist du das?«
    Aber sie kannte die Antwort schon, denn oben spross aus seinem massigen Körper ein riesiger Stängel, der jetzt allerdings ein ausgewachsener Baum war.
    »Unglaublich!«, sagte Lettie und klammerte sich am Stamm fest. »Du bist ein Wal! Und dein Stängel ist zu einem Baum gewachsen. Jetzt können wir endlich etwas unternehmen!«
    Noah brummte leise und schwamm ein Stück. Sie umrundeten den Eisberg, und Lettie sah die Blutkübel , die sich mit voller Kraft entfernte.
    »Die glauben, sie hätten gewonnen!«, stieß sie wütend hervor. »Sie denken, sie haben uns besiegt. Na wartet! Wir holen sie uns, Noah! Wir zerschmettern ihren rostigen Kahn in tausend Stücke!«
    Sofort brauste der Wal los, dem Walfängerschiff hinterher.
    »Was kann ich tun, Noah?«, fragte Lettie unterwegs. »Du kannst mit deinem Schwanz ausholen und mit deinem Kopf zuschlagen, aber ich bin immer noch nur ein zwölfjähriges Mädchen.«
    Noah schüttelte zur Antwort seine Äste.
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