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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
Autoren: Sam Gayton
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wenn sie nicht schleunigst aus dem Weg ging.
    Lauf weg, Lettie Peppercorn!

5. Kapitel
    Der große Knall zum Abendessen

    An Deck der Blutkübel aßen die Glotzerin und das Walross gerade zu Abend. Käpt’n McNulty hatte eine Holzkiste besorgt und eine schmuddelige Tischdecke darübergeworfen. Finster sahen die zwei alten Schachteln zu, wie Rotz-Hotte Charlie zum hundertfünfzehnten Mal versuchte, Blüstavs Schale mit Hammer und Meißel aufzuknacken.
    »Wie lange dauert das denn noch?«, keifte die Glotzerin.
    »Rotz-Hotte Charlie holt Ihnen in null Komma nix die Schneewolke raus«, antwortete Käpt’n McNulty. »Sonst kriegt er gleich meinen Zorn und die Spitze meiner Harpune zu spüren. Und in der Zwischenzeit – lassen Sie es sich schmecken!«
    »Ich hab schon genug Zwieback gehabt, danke«, murmelte das Walross.
    »Wer redet denn von Zwieback? Lassen Sie sich doch mal das hier auf der Zunge zergehen …« Der Käpt’n schenkte den beiden sein breitestes, blutigstes Lächeln. Er winkte Tranmann Johnson mitsamt einer großen, abgedeckten, dampfenden Servierschale heran.
    Der Käpt’n hob den Deckel an – und da lag er, auf einem Bett aus Seetang: ein Hummer.
    »Knackig und frisch!«, verkündete der Käpt’n. »Und zuckt sogar noch, so wie es sein soll.«
    Die Glotzerin starrte den Hummer an, die Augen groß wie Tellerminen. Das Walross schmatzte voller Vorfreude. Seit Tagen waren sie auf hoher See und hatten nichts anderes als abgestandenes Wasser und Zwieback zu sich genommen. Aber hier bot sich ihnen endlich eine Mahlzeit, die ihrer würdig war. Sofort wetzten sie das Besteck und machten dem armen Hummer den Garaus, samt Scheren und allem Drum und Dran.
    »Die haben ja schlimmere Tischmanieren als Seemöwen«, raunte Tranmann Johnson seinem Käpt’n zu.
    »Aye. Aber das Ding hält sie uns noch ein Weilchen vom Hals.«
    »Meinst du, die würden auch dann so schlingen, wenn sie wüssten, wo der Hummer herkommt?«
    Käpt’n McNulty griente. Sie hatten den Hummer aus dem Magen des zuletzt erlegten Wales geholt … »Wir sollten es ihnen lieber nicht sagen. Rotz-Hotte!«, brüllte er. »Hast du die Muschel bald geknackt, oder was?«
    Der Walfänger drosch zum hundertsiebzehnten Mal mit dem Hammer auf den Meißel ein, aber Blüstavs Schale hielt eisern stand. Rotz-Hotte Charlie ließ den Meißel fallen und wischte sich über die triefenden Nasenlöcher. »Ich kann nicht mehr«, keuchte er.
    »Bist ’ne harte Nuss, das muss man dir lassen«, sagte der Käpt’n und kniete sich vor Blüstav. »Aber wenn du deine Klappe nicht gleich aufmachst, hol ich meine Bazooka. Und die Muschel, die sich nicht mit Dynamit aufsprengen lässt, muss erst noch geboren werden.«
    Er wartete, aber Blüstav blieb weiterhin verschlossen.
    »Dann soll’s wohl so sein«, knurrte Käpt’n McNulty, stand auf und stapfte zu seiner Bazooka. »Jetzt gibt’s hier gleich einen Riesenknall!«
    Und er sollte recht behalten, nur anders als gedacht. In der Tat dröhnte plötzlich ein Riesenknall durch die Luft, und das Schiff schaukelte wie auf einer Monsterwelle wild hin und her. Die zwei alten Schabracken schreckten von ihrem Festmahl hoch.
    »Was war das?«, fragte das Walross. An ihrem Kinn klebten unzählige Hummerscherensplitter.
    Über dem Schiff war die Spitze des Eisbergs mit einem farbenprächtigen Feuerwerk explodiert. Ein kleiner Junge flog aus einem Fenster heraus, dicht gefolgt von den zwei Hälften eines Eisenkessels.
    Walfänger und alte Schachteln sahen zu, wie er vom Himmel fiel und an den eisigen Felsnadeln und Spitzen vorbeischlitterte.
    »Das ist er!«, rief Tranmann Johnson. »Der Winzling mit dem Stängel in der Schulter!«
    »Mist«, sagte Rotz-Hotte Charlie. »Der ist aber groß geworden.«
    »Sieht jedenfalls größer aus als noch vor einer Sekunde«, sagte Tranmann Johnson.
    »Das liegt daran, dass er näher kommt«, raunte der Käpt’n. »So was nennt man Prospektiefe.«
    »Heißt das nicht Perspektive, Käpt’n?«, hakte Tranmann Johnson nach.
    »Klappe!«, bellte der Käpt’n und spuckte seinem Matrosen einen Batzen roten Schleim ins Gesicht.
    »Jetzt sieht er echt riesig aus«, sagte Rotz-Hotte Charlie.
    »Aye«, gab ihm der Käpt’n recht und leckte sich grinsend das Blut vom Zahnfleisch. »Irre Prospektiefe.«
    »Zehn Meter von Kopf bis Fuß …«
    »Und er hat eine Flosse.«
    »Wovon redet ihr da, ihr Volltrottel?« Käpt’n McNulty hielt sich sein Fernrohr vors Auge, konnte aber nichts mehr sehen
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