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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Großmutter Everett. Sie hatte schon mit siebzehn Jahren auf einem Ball John Dearing kennen gelernt, den Erben eines bekannten Bankers, und ihn bereits ein Jahr später geheiratet. Inzwischen hatten sie zwei Söhne, und ihr Leben war ein steter gesellschaftlicher Trubel. Lily war einfach wie eine schöne Blume, elegant und beherrscht. Vielleicht würde sie mit der Zeit auch die guten Eigenschaften ihrer Großmutter erben, deren Namen sie trug.
    Tabitha erschrak, als die Türglocke läutete. Sie lief in die Halle und sah, dass ihre Bedienstete Alice die Tür vor ihr erreicht hatte. Vor ihr stand Matilda in Pelzmantel und Hut.
    »Oh, Matty! Wo bist du gewesen? Ich habe mich so um dich gesorgt!«, rief Tabitha, lief auf sie zu und berührte Matildas Wangen. »Du bist ja halb erfroren! Also, komm mit zum Feuer, ich werde dir einen Brandy einschenken.«
    »Mir geht es gut, wirklich«, verteidigte sich Matilda. »Mach bitte kein Theater.«
    Tabitha griff nach Matildas Arm und führte sie ins Wohnzimmer. Sie nahm ihr Hut und Mantel ab, setzte sie in den Lehnstuhl, der dem Feuer am nächsten stand, und kniete sich vor sie, um ihre Stiefel aufzuknöpfen. »Sie sind feucht«, stellte sie fest und blickte vorwurfsvoll zu der älteren Frau hoch. »Und es sind Salzspuren darauf. Warst du schon wieder am Hafen?«
    »Ja, ich habe mit einem kleinen Boot eine Rundfahrt durch die Bucht unternommen«, erklärte Matilda leichthin.
    Tabitha erwiderte nichts. Sie hatte schon zu oft versucht, Matilda von ihren Ausflügen zum Hafen abzuhalten, die sie zu gefährlich fand. Aber je älter sie wurde, desto mehr schien sie von dieser Gegend magisch angezogen zu werden.
    Sie rieb Matildas Füße mit den Händen warm und verschwand dann im Schlafzimmer, um ihre Hausschuhe zu holen. Als sie zurückkam, wärmte sie die Schuhe für zwei Minuten am Feuer und zog sie ihr anschließend über die Füße. Erst nachdem sie ihr einen warmen Umhang umgehängt und ihr einen Brandy eingeschenkt hatte, sprach sie wieder.
    »So geht es nicht weiter, Matty«, erklärte sie streng. »Ich kann nicht zulassen, dass du die ganze Zeit in der Stadt umherläufst. Du könntest angegriffen werden oder hinfallen und dich verletzen. Ich habe immer so große Angst um dich, weil ich nie weiß, wo du dich aufhältst.«
    »Ich kann noch ganz gut auf mich selber Acht geben. Schließlich bin ich nicht verrückt geworden oder so etwas!«, entgegnete Matilda und sah mit vorwurfsvollem Blick zu Tabitha hoch. »Ich spreche eben gern mit Menschen. Du weißt, ich kann deine bedeutenden Freunde nicht lange ertragen.«
    Tabitha war durch Matildas Worte kein bisschen verletzt. Fast ihr gesamtes Leben lang war sie an solche Kommentare von ihr gewöhnt. Mit zunehmendem Alter hatte Matilda wieder die Gesellschaft einfacher Menschen gesucht und bevorzugt. Nichts ging ihr über einen Plausch mit Alice oder Jackson, dem Kutscher.
    »Vielleicht hättest du in San Francisco bleiben sollen«, bemerkte Tabitha und setzte sich auf die Lehne von Matildas Sessel. »Du mochtest so viele Leute dort …«
    »Es war nach Sidneys Tod nicht mehr dasselbe«, sagte Matilda, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich war wirklich froh, als Mary wieder heiratete, aber sie brauchte meine Gesellschaft nicht mehr. Ich hätte sie zu sehr an die Vergangenheit erinnert. Dolores und Henry Slocum sind auch nicht mehr da. Außerdem sind Peter und Lisette nach New York gezogen, und Marys Kinder leben im ganzen Land verstreut.«
    Tabitha verfiel in Schweigen und erinnerte sich an die Zeit nach dem Krieg, in der sie sich Sorgen gemacht hatte, Matilda würde nie wieder zu ihrem früheren Wesen zurückfinden. Ihre Trauer hatte sie wirklich veranlasst, bis zum heutigen Tage Schwarz zu tragen, aber dennoch hatte sie sich bei ihrer Rückkehr nach San Francisco zusammengerissen und London Lil’s mit einem rauschenden Fest wiedereröffnet. Innerhalb von Wochen war sie wieder so bekannt wie während der frühen Tage des Goldrauschs, und die Aufführungen in ihrem Unterhaltungspalast waren spektakulärer als je zuvor. Doch auch wenn es vielen Menschen so erschienen war, dass sie sich nur um ihr persönliches Vermögen kümmerte, wussten ihre engen Freunde die Wahrheit: Allein das Los der Unterdrückten motivierte sie, möglichst viel Geld mit London Lil’s zu verdienen.
    Nachdem Matilda erkannt hatte, wie viele Mädchen während des Krieges der Prostitution verfallen waren, kaufte sie ein zweites Haus in der Folsom Street,
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