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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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kleine Praxis zu eröffnen.
    Wie enttäuschend die Erkenntnis auch immer war, dass ihre Patienten sie nur dann konsultierten, wenn kein männlicher Arzt zur Verfügung stand, wurde sie doch durch die Nähe zu Matilda, Peter, Sidney und seiner Familie entschädigt. Schließlich gelang es ihr mit Geduld und Durchhaltevermögen, ihre Praxis so weit aufzubauen, dass sie sich selbst davon ernähren konnte. Sie mochte das milde Klima in Kalifornien und lernte die lebendige, stetig wachsende Stadt zu lieben, die trotz ihrer Fehler sehr viel weniger heuchlerisch war als jeder andere Ort in Amerika, den sie kannte. Womöglich hätte sie den Rest ihres Lebens dort verbracht, wenn sie nicht Dr. Sebastian Everett getroffen hätte.
    Sie lernten sich auf einer Konferenz in Denver kennen, auf der Sebastian einige Vorträge über ansteckende Krankheiten hielt. Tabitha war zuerst von seiner kontroversen Ansicht hingerissen, dass auch Frauen mit ganzem Herzen in die medizinische Welt aufgenommen werden sollten, und natürlich von seiner tiefen, melodischen Stimme. Er war kein schöner Mann, groß, dünn, ein wenig unbeholfen, mit unordentlichem schwarzen Haar, in dem sich bereits graue Strähnen zeigten, und einem ebenso wirren Bart. Doch nach seinem Vortrag sprach er sie an und bat sie, ihm von ihren Erfahrungen als Ärztin zu berichten. Innerhalb von Minuten versanken sie so tief in ein Gespräch, als würden sie sich bereits seit Jahren kennen.
    Dieses Gespräch führte zu einem Abendessen in ihrem Hotel. Während sie lachten, diskutierten und plauderten, fiel ihr auf, dass sie seine leicht abstehenden Ohren und seine große Nase gar nicht mehr bemerkte. Stattdessen sah sie seine wunderschönen dunkelblauen Augen, seine langen schlanken Finger und sein Lächeln, das sie so bezauberte, dass sie sich wieder wie ein junges Mädchen fühlte.
    Am nächsten Morgen schickte er Blumen zu ihr ins Hotel. Die beiliegende Karte enthielt die einfachen Worte:
    Ich habe mein Leben lang auf dich gewartet. Sebastian.
    Er hatte eine Praxis in New York, und sie lebte dreitausend Meilen von ihm entfernt in San Francisco. Ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass ein bedeutender Arzt von über vierzig Jahren sehr wahrscheinlich verheiratet war und eine unscheinbare, ihrem Beruf hingegebene, dreißigjährige Jungfer sicher keine geeignete Geliebte sein würde.
    Aber nach seiner Rückkehr nach New York schrieb er ihr weiterhin und gestand, kaum ein Auge zumachen zu können, weil er immerzu an sie denken musste. Er schrieb, er wolle bald nach San Francisco kommen, um ihr den Hof zu machen.
    »Ein verheirateter Mann würde nicht davon sprechen, einer Frau ›den Hof zu machen‹«, wandte Matilda damals ein. »Außerdem ist das Leben zu kurz, um sich verschämt und zurückhaltend zu geben. Wenn du ebenso empfindest wie er, solltest du ihm schreiben und ihm deine Gefühle gestehen, Tabby.«
    Sie nahm den Rat an, und drei Jahre später heirateten sie. Erst in den Tagen vor ihrer Hochzeit fand sie heraus, dass sein Vater Multimillionär war. Sie wusste natürlich, dass es ihnen finanziell recht gut gehen musste, wenn sie ein Haus auf der Fifth Avenue besaßen, der Spitzenadresse in New York. Aber Sebastian vermittelte ihr nie den Eindruck, mit dem sprichwörtlichen Silberlöffel im Mund auf die Welt gekommen zu sein. Seine Kleidung war unauffällig, er war seiner Arbeit ernsthaft ergeben und fühlte sich unter einfachen Menschen äußerst wohl. Tabitha war also dementsprechend verblüfft über die Größe und Pracht des Hauses der Everetts, als sie vor siebenundzwanzig Jahren dort ankam.
    Jetzt war ihr geliebter Mann tot, aber dennoch fühlte sie sich nicht einsam, denn ihre Kinder lebten alle in der Nähe. Giles, der inzwischen sechsundzwanzig war, hatte das Familienunternehmen seines Großvaters übernommen und eine Frau der besseren Gesellschaft geheiratet, Lucy Harkness, die zwar fünf Jahre älter als Giles war, aber bald alle überrascht hatte, indem sie zuerst zwei Söhne bekommen hatte – Zwillinge –, anschließend ein Mädchen und eine hervorragende Mutter geworden war.
    Der vierundzwanzigjährige Alfred studierte Medizin und wollte einmal Chirurg werden. Er war dem Arztberuf genauso ergeben wie Sebastian und Tabitha, und kam nach seinem Großvater, Giles Milson. Er hatte seine ausdrucksvollen dunklen Augen, dunkles, lockiges Haar und sein ausgeprägtes soziales Gewissen.
    Lily, ihre einzige Tochter, war zweiundzwanzig und ähnelte ihrer
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