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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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verrückt. Abgesehen davon, dass nur wenige Arbeiter auf eine legitime Verbindung Wert legten, fand er, dass Lucas zu jung sei, um die Verantwortung für eine Frau zu übernehmen. Doch als er Nell traf, änderte er seine Meinung. Er war beeindruckt von ihrer Anständigkeit, ihrem hübschen Gesicht und ihrer sanften Stimme. Vielleicht hatte er auch die Vorteile bedacht, welche ihm diese Hochzeit bringen würde, denn seit dem Tod seiner eigenen Frau vor fünf Jahren hatte er mit Lucas allein gelebt, und seine Gesundheit schwand langsam dahin.
    Ihr Eheleben in einem Haus mit nur zwei Zimmern zu beginnen, die sie mit dem Schwiegervater teilen musste, war nicht die Erfüllung von Nells Hoffnungen gewesen, aber sie trug bereits Lucas’ Kind und war von Natur aus optimistisch und warmherzig. Sie schmiedeten Pläne, ein eigenes Heim zu beziehen, sobald Lucas seine Ausbildung beendet hatte. Nell brachte Ordnung in die beiden Räume, nähte Gardinen für die Fenster, kochte, wusch und flickte die Kleidung, und Silas lobte sie oft, sie sei die beste Hausfrau, die er je kennen gelernt habe. Ein Jahr nach Johns Geburt kam James zur Welt. Obwohl die Zeiten hart waren, da Silas oft zu krank zum Arbeiten war, waren sie glücklich. Als Lucas endlich frei war, auf der Themse zu arbeiten, starb Silas, und Nell wurde wieder schwanger.
    Lucas verkaufte Silas’ Boot und versteckte das Geld in einer Schachtel unter dem Dielenboden. Er arbeitete, so viel er nur konnte, und jeder Tag brachte einen weiteren Shilling oder zwei ein, sodass Lucas’ und Nells Traum der Verwirklichung näher kam. Er würde ein eleganteres Boot kaufen, das feinere Passagiere anzog, und schon bald würden sie sich ein kleines Haus auf der Südseite des Flusses bei Lavender Hill leisten können.
    Ein Feuer legte ihre Träume jedoch in Schutt und Asche. Im Winter des Jahres achtzehnhundertdreiundzwanzig, nur einen Monat, bevor das Baby zur Welt kommen sollte, brannte das kleine Holzhaus in Aldgate, in dem Lucas sein Leben lang gewohnt hatte, nieder – und mit ihm der angehäufte Schatz unter dem Dielenboden.
    Vielleicht hatte der Schock Nells verfrühte Niederkunft ausgelöst. Jedenfalls hatten sie gerade erst ein Zimmer in Finders Court gefunden, als sie die ersten Wehen spürte. Das kleine Mädchen lebte nur ein paar Stunden, und Nell lag bitterlich weinend auf dem Stroh, das sie nur dürftig vor der Kälte schützte. Lucas tat sein Bestes für die Familie, aber ihm schien es, als hätte sich das Schicksal an diesem Punkt gegen ihn gewandt. Die Themse fror zu, sodass er nicht arbeiten konnte, und Nell und die beiden Jungen wurden krank. Auch später in diesem Jahr, als Lucas wieder arbeitete, war Nell nur noch ein Schatten ihrer selbst. Erst als Matilda im Jahre achtzehnhundertsechsundzwanzig geboren wurde, riss sie sich zusammen und versuchte, ihr bescheidenes Zimmer in ein wirkliches Zuhause zu verwandeln.
    Kurz vor ihrem Tod nahm Nell Lucas das Versprechen ab, Matilda lesen und schreiben lernen zu lassen, sodass sie die Chance auf ein besseres Leben haben würde. Lucas erkannte heute rückblickend, dass dies das einzige Versprechen war, das er hatte halten können. Matilda küsste ihn auf die Wange und schreckte ihn aus seinen Gedanken.
    »Du hast für mich alles getan, was du konntest«, sagte sie sanft. »Es wird schon wieder bergauf gehen, warte nur ab.«
    Matilda wachte auf, als die Glocken vier Uhr schlugen. Es war so verlockend, sich noch einmal an ihre Brüder zu schmiegen und weiterzuschlafen, aber dann wären die Blumen am Covent Garden ausverkauft, bevor sie dort ankam. Sie kroch aus dem Bett und tastete nach ihrer Kleidung. Sie konnte ihren Vater nicht sehen, doch sie merkte an seinem lauten Schnarchen, dass er von seiner Nachtarbeit zurückgekehrt war. Rasch zog sie sich an, band ihre Schürze um, nahm ihren Korb und etwas Geld und machte sich auf den Weg zum Covent Garden, während sie an einem Stück Brot kaute.
    Um halb sieben saß sie mit ein paar anderen Blumenmädchen auf den Stufen von St. Martin in the Fields. Sie hatte ein Dutzend Bündel Veilchen und ein weiteres Dutzend Schlüsselblumen für zwei Shilling gekauft, ein wenig Papier für einen Halfpenny, und für die Kordel hatte sie gar nichts zahlen müssen, sondern sie umsonst an den Ständen im Covent Garden bekommen. Jetzt arrangierte sie die Blumen zu kleinen Sträußen und fasste sie mit ein paar Blättern ein. Wenn sie daraus sechsunddreißig Sträuße band, die sie für je einen
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