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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland
Autoren: Ralf Sotscheck
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Eindruck macht, als ob er es damit eilig hätte.
    In der Canisbay Church geht die Königinmutter zur Messe, wenn sie in ihrer Sommerresidenz ist, dem Castle of Mey. Ein früherer Bewohner des Schlosses, William Sinclair, brachte es 1595 zu zweifelhaftem Ruhm. Seine Eltern hatten ihn auf die Royal High School in Edinburgh geschickt. Als die Schulverwaltung beschloss, die Ferien zu verkürzen, organisierte Sinclair einen Sitzstreik unter den Schülern. Ein Beamter versuchte, die Knaben zu vertreiben, und wurde von Sinclair erschossen. Man bestrafte den Schützen dafür nur milde, später wurde er sogar Graf von Caithness.
    Würde John O’Groats zehn Meilen weiter westlich liegen, räumt McKinnon ein, wäre es ein unbekanntes, verschlafenes Nest. So aber ist es Ausgangspunkt für die merkwürdigsten Rekorde. Barbara Moore war 1960 die Erste, sie lief von John O’Groats nach Land’s End und löste damit eine Modewelle aus. Kurz darauf marschierten siebenhundert Leute vom Nordostzipfel los, hundertfünfzig von ihnen kamen zwischen vierzehn und vierzig Tage später in Land’s End an. Später waren es Rollstuhlfahrer oder Staffelläufer, eine Gruppe junger Männer schob eine Badewanne quer durch Großbritannien. Ob er mal in Land’s End war? McKinnon schüttelt den Kopf. »Ich war noch nicht mal in Edinburgh«, sagt er, »aber nach Inverness bin ich mal gekommen.«

Nessie, das scheue Ungeheuer
    Natürlich habe ich es gesehen. Für einen Moment ragten Kopf und Hals aus dem schwarzen Wasser des Loch Ness. Dann war es wieder verschwunden. Nessie, das Ungeheuer, ist scheu. »Na siehst du«, sagt Norrie Donald aus Dores an der Ostseite des Loch Ness. Er hatte nie Zweifel an der Existenz des Monsters.
    Wir sind am Morgen in Inverness, der Hauptstadt des schottischen Hochlands, losgefahren, müssen aber gleich eine Pause einlegen, weil die Hebebrücke über den Caledonian Canal für ein Schiff geöffnet worden ist. »Vor ein paar Jahren hat die Brücke geklemmt und ging nicht mehr nach unten«, sagt Norrie. »Dann haben sie die Autos über die zweite Hebebrücke umgeleitet, doch nachdem die das Schiff durchgelassen hatte, klemmte sie ebenfalls. Die zwei Teile von Inverness waren auf einmal voneinander getrennt, niemand kam mehr auf die andere Seite.« Seitdem dürfen die beiden Brücken nicht mehr gleichzeitig geöffnet werden.
    Der Kanal verbindet Fort William mit Inverness. Er wurde 1822 eröffnet, aber das Verkehrsaufkommen war so gering, dass die Baukosten nicht wieder hereinkamen. Zur Überwindung der Höhenunterschiede gibt es auf der hundert Kilometer langen Strecke neunundzwanzig Schleusen. »Der Kanal verläuft durch eine natürliche Erdspalte«, sagt Norrie. »Früher war Schottland ein Teil Kanadas und lag dort, wo heute Australien ist. Dann bewegte sich der ganze Kontinent in einer Kurve Richtung Nordwesten und prallte mit Europa zusammen. Wir blieben an England kleben, während Kanada sich wieder losriss. Der Caledonian Canal ist die Linie, an der der Zusammenprall stattfand.« Das ist freilich Millionen von Jahren her.
    Wir fahren an der Westseite des Flusses Ness entlang, rechts liegt der Besitz von Lord Burton, sagt Norrie. Er sei sehr reich, fügt er ehrfürchtig hinzu, er habe sogar einen eigenen Friedhof auf seinem Anwesen. Hinter Dochgarroch verbindet sich der Ness mit dem Caledonian Canal, geht beim Bona-Leuchtturm in den Loch Ness über und ist das einzige Gewässer, das aus dem Loch Ness hinausfließt, während rund vierzig Flüsschen hereinfließen. Und Bona ist der einzige Inlandleuchtturm Großbritanniens. »1940 kam der Bomber R-for-Robert hier runter«, sagt Norrie. »Vierzehn Mal hatte er Bomben über Deutschland abgeworfen, dann zog man ihn aus dem Verkehr und benutzte ihn als Übungsflugzeug in Lossiemouth, bis er hier abstürzte. Vor zwölf Jahren ist das Wrack geborgen worden, man kann es in einem englischen Museum in Surrey besichtigen.«
    In Abriachan hält Norrie an, wir steigen aus. Er lockert seine blaue, schlecht gebundene Krawatte und schließt den Reißverschluss seines grünen Anoraks, denn es ist für die Jahreszeit recht kühl. Dann setzt er eine Schiebermütze auf, damit der Wind seine grauen, langen Haare nicht zerzaust. Norrie zeigt auf die andere Seite des Sees. »Da drüben liegt Dores«, sagt er. »Ich wohne in dem weißen Haus am Hügel, meine Frau Lily betreibt das Postamt von Dores. Es ist das kleinste Postamt der Welt, nicht größer als ein Auto. Nur etwas höher.« Als
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