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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland
Autoren: Ralf Sotscheck
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es im April 1987 eröffnet wurde, kamen Kamerateams aus der ganzen Welt. »Sogar aus Neuseeland«, sagt Norrie stolz.
    Er deutet auf eine kleine, schwarze Boje vor dem gegenüberliegenden Ufer. »Dort haben meine Frau, mein Sohn und meine Schwägerin im Juli 1987 das Ungeheuer gesehen. Zwei Buckel ragten heraus, der Kopf blieb unter Wasser.« Danach ließ er seine vier Kinder nur noch unter Aufsicht in dem kleinen Holzboot auf dem See herumrudern. Heute bleibt jedoch alles ruhig, wir fahren weiter nach Südwesten. Rechts von der Straße liegt immer noch der Besitz Lord Burtons. Schließlich schimmert ein palastartiges Gebäude durch die Bäume. »Dort wohnt der Gutsverwalter«, sagt Norrie. Lord Burton muss wirklich sehr reich sein.
    Nach etwa zehn Kilometern führt die Straße hinunter ins Glen Urquhart, ein Stichtal, durch das der Coiltie und der Enrick in den Loch Ness fließen. An der Mündung liegt Drumnadrochit, ein kleiner Ort, der vom Ungeheuer lebt. Er beherbergt gleich zwei »offizielle Loch Ness Monsterausstellungen« – autorisiert von Nessie? Wir sehen uns die ältere der beiden an, um für die Monsterjagd wissenschaftlich gewappnet zu sein.
    Dreihunderttausend Menschen im Jahr zahlen Eintritt in das alte Gemäuer von 1882, das früher ein Hotel war. Der Besitzer, Ronnie Bremner, ist mehrfacher Millionär. Jetzt will er das Museum verkaufen – für eine Million Pfund. Die Ausstellung ist vor ein paar Jahren modernisiert worden, um mit der Konkurrenz am anderen Ende des Ortes mithalten zu können, sagt Norrie.
    Es ist stockfinster. Plötzlich ertönt eine Stimme aus einem Lautsprecher und erzählt von der wundersamen Wanderung Schottlands, die – im Gepäck von Kanada – das Land über Australien und Nordamerika nach Europa führte. Das weiß ich schon von Norrie, muss es mir aber noch mal anhören, weil es im nächsten Raum mit der elektronischen Führung erst weitergeht, wenn der Erzähler gesagt hat, was er zu sagen hat. Im dritten Raum, endlich, das Ungeheuer: Zum ersten Mal ist es 565 aufgetaucht, als es einen Mönch angriff, der im See badete. Der heilige Columban, zu dessen Gefolgschaft der Mönch gehörte, bekreuzigte sich geschwind, und Nessie suchte das Weite. Jahrhundertelang ließ sich das Ungeheuer danach nicht mehr blicken.
    Dann, 1933, tauchte es wieder auf – ausgerechnet vor John Mackay und seiner Frau, denen das Drumnadrochit-Hotel damals gehörte. Der Inverness Courier , die Lokalzeitung, berichtete ausführlich darüber, und am nächsten Tag war das Hotel voller Reporter aus London. Es dauerte aber noch ein Jahr, bis es gelang, ein Foto von Nessie zu schießen: Oberstleutnant Robert Wilson, ein Gynäkologe, machte das berühmte, unscharfe Bild vom Ungeheuer am 19. April 1934. Fast sechzig Jahre lang hielt es als Beweis für Nessies Existenz her.
    Dann wurde es als Schabernack des Oberstleutnants entlarvt. Wilson hatte ein Spielzeug-U-Boot als Monster verkleidet. Die Idee stammte von Marmaduke Arundel Wetherell, einem Schauspieler und Abenteurer. Wetherells Stiefsohn Christopher gestand den Schwindel 1993, als er im Alter von neunzig Jahren auf dem Totenbett lag.
    »Ein kleiner Rückschlag, gewiss«, sagt Norrie, »aber interessanter als die guten Fotos sind doch die undeutlichen, unerklärlichen Bilder, die nicht auf eine Sensation angelegt, sondern durch Zufall entstanden sind. Und dann ist da ja auch die Sache mit John Cobb.« Cobb versuchte im September 1952 mit seinem Motorboot »Crusader« auf dem Loch Ness einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord aufzustellen. Als er über den See raste, tauchte aus heiterem Himmel eine V-förmige Welle vor ihm auf. Das Boot zerschellte, Cobb war auf der Stelle tot. Tim Dinsdale, der das Ungeheuer 1960 auf Zelluloid gebannt hatte, sah sich die Aufnahmen vom Weltrekordversuch an und kam zu dem Schluss, dass Nessie vor dem Höllenlärm des Bootes geflüchtet sei und dabei die merkwürdige Welle verursacht habe.
    Es gibt über tausend Augenzeugenberichte von Menschen, denen Nessie begegnet ist. Das Ungeheuer hat viele Formen: Mal ist es seeschlangenförmig, mal drachenförmig und manchmal plesiosaurusförmig. Möglicherweise gibt es mehrere Monster im Loch Ness? Freilich sind viele Berichte von vornherein als Hirngespinste einzustufen, doch einige stammen von durchaus ernstzunehmenden Zeitgenossen, etwa vom Benediktinerpfarrer Gregory Brusey und seinem Freund Roger Pugh, die im Oktober 1971 »den Hals des Biests bis auf eine Höhe von zehn Fuß
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