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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln
Autoren: Claudia Diemar
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die Hauptstadt bestimmt ist. Dorthin fährt sowieso keiner außer mir.«
    Sie trällert ein »Carnaval, te quiero«, während sie mich die Treppen zur Chefetage hinaufzieht, an Juán vorbei, der wieder Posten an der Brüstung bezogen hat und nachsichtig lächelt, als sie ihm zuzischt, sie habe inzwischen Begleitung gefunden.
    Oben stülpt sie mir ein weiß-rotes Harlekinsgewand über und setzt mir eine giftgrüne Perücke auf. Dann zerrt sie ohne Hemmungen die beiden zärtlich umschlungenen Berliner Jungs aus dem Bett, denen sie das ehemalige Kinderzimmer ihrer Töchter vermietet hat, und verlangt von den beiden eine Begutachtung meiner Maskerade. Endlich darf ich das Kostüm wieder ablegen. Jedenfalls bis zum Abend. Die Dose mit der Clownschminke drückt sie mir schon mal in die Hand, für später.
    Mein Zimmer ist nun fertig geputzt. Stammgästen wird eine Unterkunft in der Beletage mit richtigem Fenster zur Terrasse hin garantiert. María weiß genau, welches ich haben will. Nicht das gleich neben der Küche, wo man jedes Mal zusammenzuckt, wenn die Kühlschranktür zugeschmettert wird. Auch nicht die habitación direkt neben dem Bad, wo man ständig das Rauschen der Wasserspülung mitbekommt. Andererseits darf man auch nicht zu weit vom baño entfernt untergebracht sein, weil man sonst nicht mehr hört, wenn sich der Schlüssel im Schloss dreht, das untrügliche Signal, dass man
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sofort durchstarten muss, um die frei gewordene Dusche zu ergattern.
    Ich nehme das Gepäck und beziehe mein Domizil. Der Fußboden glänzt noch vom Aufwischen. María folgt mir, schnappt sich die Matratze, schleppt sie hinaus und bringt ein nagelneues Exemplar. Sie zerrt die Schutzfolie runter und schmeißt das Teil triumphierend auf das Bettgestell. Treffsicher hat diese Herbergsmutter kapiert, dass das einzige, womit ihre langmütige Klientel wirklich kritisch sein kann, der Zustand des Bettes ist. Außer dem Bett gibt es im Zimmer eine Glühbirne unter der Decke, Vorhänge vor dem Fenster, den kleinen Tisch darunter und einen Schrank ohne Türen. María grinst, als sie mich ein Bündel Kleiderbügel aus der Tasche nehmen sieht. Ich packe Schwimmzeug, Sonnenmilch, Portemonnaie und ein Buch in einen Beutel und sehe zu, dass ich endlich an den Strand komme.
    An der playa kreischen Kinder im Diskant. Sonst passiert nicht viel. Manchmal fährt eines der letzten Fischerboote hinaus, manchmal kommt eines rein. In der Bar haben sie Miles Davis aufgelegt. Die Musik dringt bis auf die sonnendurchglühte Terrasse hinaus. Ich nippe am ersten Gin Tonic dieser Ferien und schaue auf den Atlantik. Gegen Abend, als es langsam kühler wird, gehe ich die paar Schritte zum Strand hinüber. Ich kraule ein Stück hinaus, gucke mir die Küste vom Wasser aus an. Dann schwimme ich auf dem Rücken und schaue in den mit Rosenrot überhauchten Abendhimmel.
    Auf dem Heimweg treffe ich María, die mit
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zwei Einkaufstaschen unterwegs ist. Außerdem hat sie eine große Tüte Seehecht von den Fischern geschnorrt. Sie erinnert mich daran, dass ich sie abends zum Tanz rund um den Pool des Luxushotels zu begleiten habe. Vorher aber würde die Pension von ihr persönlich bekocht.
    Wir sind beim hostal angekommen. María bringt ein Kofferradio in die Gästeküche. Sie tanzt sich allmählich warm, während sie Gemüse und Fisch im sprudelnden Öl wendet. Das Radio spielt Samba. Die anderen Gäste stehen an die Wand gelehnt, wippen mit den Füßen und halten ein Glas Wein in der Hand. Jemand schiebt die Tische auf der Terrasse zusammen, bringt Teller und Besteck. Juán steigt vom Balkon der Chefetage herunter, als das Essen fertig ist. Wir träufeln Zitrone auf den knusprig gebackenen Fisch und die Auberginen und essen frisches Weißbrot dazu.
    Irgendwer schreit plötzlich etwas von einer Maus. Juán, der schon wieder eine Zigarre im Mund hat, schmeißt den Stummel weg und macht sich mit Schwiegersohn Jorge auf die Jagd. Während wir in Zeitlupe am Fisch kauen, hetzt die Maus an der Brüstung hin und her. Statt sich einfach zwischen den Streben hinunter in die Blumenrabatte fallen zu lassen, rast sie direkt unter Juáns Schuhsohle. Es knirscht, als er die Maus zertritt. »Salud!«, ruft María in die betretene Stille hinein. Irgendjemand redet vom Sternenhimmel. Alle legen den Kopf in den Nacken und mustern das Firmament.
    María hebt die Tafel auf und gibt kund, nun sei es Zeit, zum Mummenschanz aufzubrechen. Sie
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nimmt mich mit in ihr Schlafzimmer. Die ganze
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