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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln
Autoren: Claudia Diemar
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kennen.
    Wenn es dunkel wird, entbrennt in den Kneipen und Discos ein gnadenloser Kampf in Phonstärken um die Gunst das Publikums. Grellbunt zucken die Neonreklamen im Takt. Conchita gähnt und starrt hinaus auf das dunkle Meer, auf dem die Positionslampen der letzten Fischerboote im Auf und Ab der Wellen wie Irrlichter blinken. Aus der Ferne, wenn man die lange Gerade der Landstraße von Adeje herunterfährt
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und die Nacht ihren samtenen Mantel über die Bucht geworfen hat, funkeln die Lichter von Playa de las Américas wie Gold. Als wir in der lauen Nacht auf der Terrasse noch ein Glas Wein trinken, hören wir eine einzelne Grille zirpen.

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Bananen, Gambas und das atlantische Gefühl
Von Glücksrittern, Auswanderern und hummerroten Fremden
    Es gibt Orte auf der Welt, da wünscht man sich, dass die Zeit anhalten wollte und man so sitzen bleiben könnte für immer und ewig. Ein solcher Ort ist die Plaza von Los Llanos de Aridane auf der Insel La Palma. Vor dem Portal der Kirche weitet sich ein glatt gepflasterter Platz, der von riesigen Lorbeerbäumen überkrönt wird. Kinder radeln, spielen Fangen und Fußball. Ein paar alte Männer sitzen mit der Zeitung in der Sonne. Im Café unter der Pergola werden tapas serviert. Gegenüber liegt das Postamt, wo man die eben geschriebenen Postkarten frankieren lassen kann. Wer aufpasst und den palmeros vor sich in der Schlange über die Schulter schaut, lernt zweierlei: Erstens hat man Zeit und zweitens geht der Blick nach Westen. Von dort kommen die Stürme, dort ist die Sehnsucht und die Verwandtschaft. Noch heute gehen viele Briefe über den großen Teich, vor allem nach Venezuela, wohin die Vorfahren einst auswanderten.
    Die Kanaren waren nie ein Eldorado. Sie sind an Bodenschätzen arm und kein Terrain für Goldgräber. In ihrer Wirtschaftsgeschichte seit der »Entdeckung« durch die Europäer wechseln sich Boom
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und Bankrott, Aufstieg und Fall in rascher Folge ab. Man ließ nichts unversucht, um seine Fortune zu machen, handelte mit Menschen und mit Zuckerrohr, mit Seide, Tabak, Wein und Läusen. Die Lage zwischen Alter und Neuer Welt war dabei Segen und Fluch zugleich. Der »Vorrat« an Ureinwohnern, die man als Arbeitskräfte verschachern konnte, war bald aufgebraucht und Afrika hatte weit mehr an Menschenmaterial zu bieten. Der Zuckerrohr-Boom fand ein Ende, weil es nicht genug Holz für die Verarbeitung auf den Inseln gab und die Kolonien in der Karibik auf riesigen Plantagen viel günstiger produzieren konnten. Der Anbau der Malvasier-Traube für das Modegetränke der besseren Kreise in England und Frankreich endete mit der Vernichtung sämtlicher Weinkulturen durch die Reblaus. Um 1830 führte man die aus Mexiko stammende Cochenille-Laus ein, die genügsam auf den wie Unkraut gedeihenden Löffelkakteen lebte und einen hochbegehrten karmesinroten Farbstoff lieferte. Mit der Entwicklung der synthetisch hergestellten Anilinfarben war auch dieser Boom nach exakt einem halben Jahrhundert vorbei. Keine Dame von Welt färbte sich mehr die Lippen mit Läuseblut.
    Wann immer die Inseln in eine wirtschaftliche Krise gerieten, wanderte die darbende Bevölkerung nach Westen aus. Manche machten ein Vermögen in der Ferne, kehrten als reiche »Indianos« aus der Karibik und Südamerika zurück, bauten sich prächtige Anwesen und entwickelten mit englischen Entrepreneuren eine neue Geschäftsidee: ausgerechnet Bananen! Die kanarische Zwergbanane ist ein
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aromatisches Früchtchen. Dünnhäutiger und kleiner als die Konkurrenz aus Mittelamerika, spielt sie allerdings auf dem Weltmarkt keine große Rolle. Auf den regenarmen Kanaren müssen die Plantagen zudem intensiv bewässert werden, was den Grundwasserspiegel etwa auf Teneriffa dramatisch abfallen ließ. Um die Verdunstung in Grenzen zu halten, werden die Plantagen inzwischen an vielen Orten großflächig mit Kunststoffplanen überdeckt. Aus der grünen Insel La Palma ist so in Teilen ein milchig-weißes Eiland geworden, eine Landschaft unter Plastik, die ausschaut, als habe sich ein größenwahnsinniger Verpackungskünstler austoben dürfen. Noch schultern die Männer mit den Macheten und den vom nicht auswaschbaren Pflanzensaft dunkel gesprenkelten Arbeitskleidern weiterhin die Stauden. Doch über Wasser gehalten wird der Bananenanbau auf den Kanaren nur mit Subventionen und Schutzzöllen.
    Seit Spanien die Westsahara mit den davor liegenden ergiebigen Fanggründen verloren hat, spielt auch der Fischfang nur
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