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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln
Autoren: Claudia Diemar
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es nicht viel zu tun für die Feriengäste auf der »Anmutigen«. Man kann im Hafen den Fischern beim Streichen der Boote zusehen und, sofern man des Spanischen mächtig ist, vielleicht einen von ihnen überreden, einmal mitfahren zu dürfen. Man kann auf der Kaimauer oder in der Bar El Chiringuito bei einem Gin Tonic sitzen, die Möwen beim Sturzflug beobachten und hinüberschauen auf die Steilwand des Risco de Famara jenseits der Meerenge. Früher, als es noch keine Fährverbindung nach Órzola gab und man bei gutem Wetter auf kürzestem Weg zur großen Schwesterinsel übersetzte, erklommen die Fischerfrauen die Felswand, um ihre Ware auf Lanzarote loszuschlagen.
    Man kann zusehen, wie die Wolken, die regelmäßig über die niedrigen Vulkane La Graciosas hinwegsegeln, ohne einen Tropfen an diese Sandwüste zu verschwenden, sich über dem benachbarten
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Gebirge abregnen. Man kann darüber sinnieren, was passierte, wenn das Wetter so stürmisch würde, dass die Fähre nicht kommen könnte und man den Heimflug verpasste. Doch das ist mit dem neuen Boot im ganzen letzten Jahr nur an zwei Tagen geschehen, wie der Matrose des properen Schiffes weiß.
    Abends, wenn die Tagesausflügler verschwunden sind, muss man nur eine Entscheidung treffen. Zum Beispiel in welcher der wenigen Kneipen man den frischen Fisch mit Schrumpelkartoffeln und grüner Kräutersoße zu bestellen hat. Im Girasol schaut der Kellner gern ein wenig mürrisch drein, als wollte er klarstellen, dass er nur das Essen zu servieren hat, aber keine anbiedernde Freundlichkeit dazu.
    Die Schmidts stört das keineswegs. Sie werden im nächsten Jahr wiederkommen, denn so gut erholt wie hier haben sie sich nie zuvor. Vor dem Abendessen wollen sie noch eine Runde schwimmen.

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Mehlpampe und alte Wäsche
Die Küche der Kanarischen Inseln
    Am Anfang war der gofio . Im Volksmund liebevoll-abfällig als cemento bezeichnet, soll der steife Brei einst die Nahrungsgrundlage der Guanchen gebildet haben, denen die Kunst des Brotbackens unbekannt war. Damit sie ihre Gerste nicht roh essen mussten, rösteten sie die Körner über dem Feuer und mahlten sie per Hand in steinernen Mörsern. Das so gewonnene Mehl wurde mit Wasser oder Ziegenmilch verrührt gelöffelt.
    Gofio ist noch heute auf den Kanaren allgegenwärtig. In jedem Supermarkt finden sich die eingeschweißten Tüten mit dem preiswerten gerösteten Körnermehl. Mal aus Gerste, dann wieder aus Weizen, zuweilen mit Maismehl gemischt. Doch das Produkt gibt dem Zugereisten Rätsel auf. Was kann man mit dem Zeug anfangen? Denn gofio als »Sättigungsbeilage« findet sich kaum je auf den Speisekarten. Ein einziges Mal haben wir ihn in einem Restaurant in Las Hayas auf La Gomera serviert bekommen, hoch über dem Valle Gran Rey in der Kneipe der alten Efigenia, die die stärkende Grütze zum gedünsteten Gartengemüse serviert. Einheimische meinen, es brauche Jahre, bis man sich an die Pampe gewöhnen könne. Nach der strammen Bergwanderung mundete uns der Guanchenbrei jedenfalls
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vortrefflich. Und er bildet eine gute Grundlage für die meist mit reichlich Knoblauch gebratenen und gesottenen Fleisch- und Fischgerichte. Conejo (Kaninchen) kommt ebenso gern auf den Tisch wie cabrito (Zicklein), gern serviert werden auch die saftigen Meeresbewohner wie mero , sama oder vieja , der äußerst delikate Papageienfisch. Es lohnt sich, nach frischem Fisch aus einheimischen Gewässern zu fragen. Seezungen etwa werden auf den Kanaren niemals gefangen. Dieser bei Touristen besonders beliebte Fisch stammt ausschließlich von der paeninsula , also vom spanischen Festland, wo er filetiert, gewaschen und tiefgefroren wird, bevor er per Flieger auf die Reise geht. Weil aber das spanische Leitungswasser bekanntlich heftig gechlort wird, muss man sich nicht wundern, wenn das zarte Fischlein später auf dem Teller nach Schwimmbad schmeckt.
    Aber für Gourmets sind die Kanaren ohnehin ein schwieriges Pflaster. Eine gehobene Küche ist auf den einst abgelegenen und ärmlichen Inseln so gut wie unbekannt. Vieles wird totgekocht, zu Schuhsohlen gebraten oder mit viel zu lange gebrauchtem Öl verhunzt. Es fehlt zudem oft an gut ausgebildetem Personal. Spötter berichten, dass selbst in gehobenen Hotels zuweilen so artfremde Berufsgruppen wie Automechaniker in den Töpfen rühren, wenn es an ausgebildeten Chefs fehlt. Die jeweils aktuellen guten Adressen erfährt man am ehesten durch Mund-zu-Mund-Propaganda.
    Zurück zu den Grundlagen,
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