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Lesereise - Jakobsweg

Lesereise - Jakobsweg

Titel: Lesereise - Jakobsweg
Autoren: René Freund
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wieder in Massen gepilgert: 1982 verzeichnete das Kloster von Roncesvalles am Beginn des spanischen Weges 526 Übernachtungen, 1997 waren es 11.516. Im heiligen Jahr 1999 wurden über zwanzig Millionen Gläubige in Santiago erwartet. (Jedes Jahr, in dem der Tag des Jakobus auf einen Sonntag fällt, gilt als »heiliges Jahr«; nur in diesen Jahren wird die Puerta del Perdón oder Puerta Santa, das Ostportal der Kathedrale von Santiago, geöffnet. Das Jakobsfest am 25. Juli in Santiago ist ein großes Erlebnis für alle, die nicht an Klaustrophobie leiden.)
    Die meisten der Pilger, die heute auf dem Jakobsweg unterwegs sind, gehen ihn nicht aus strikt religiösen Gründen. Der Camino de Santiago ist zu einem Treffpunkt der unterschiedlichsten Menschen aus der ganzen Welt geworden und trägt seine Bezeichnung »Erste europäische Kulturstraße« zu Recht. Schon Goethe hat vermutet, dass »Europa durch die Wallfahrt nach Compostela entstanden ist«.
    Einen ganzen Abend lang erzählte mir der Mann auf dem Hochzeitsfest die Geschichte vom und viele Geschichten rund um den Jakobsweg. Es gebe vier »klassische« Wege nach Santiago, erzählte er: von Paris über Tours, von Vézelay über Limoges, von Le Puy über Conques, von Arles über Toulouse. Peter Lindenthal, so der Name des Mannes, ist den Weg in vielen Varianten gegangen und hat im Übrigen das sehr empfehlenswerte Buch »Auf dem Jakobsweg durch Österreich« geschrieben.
    Am nächsten Morgen rief mich meine Frau an: Ich solle nicht erschrecken – unser Mietvertrag sei gekündigt worden, noch im September wollten die Besitzer selbst in ihr Haus einziehen. Ich erzählte ihr im Gegenzug vom Jakobsweg, und etwa gleichzeitig fiel uns ein, dass wir unsere vorübergehende »Obdachlosigkeit« ausnützen und endlich einmal zwei Monate wegfahren, oder noch besser: weggehen könnten. Und dann ergab es sich, dass wir ein Lager für unsere Möbel fanden; und dann ergab es sich, dass wir im Oktober und November nur wenige und durchaus verschiebbare Termine hatten; und so beschlossen wir, uns auf den Weg zu machen. Wir entschieden uns, von Le Puy im französischen Zentralmassiv aus zu starten, weil dieser Weg der »klassischste« und der für Wanderer am besten geeignete ist.
September 1998
Packliste für den Rucksack
    1 Regenpelerine; 1 Goretex-Jacke; 1 Rucksackregenschutz; 1 Baumwollmütze; 1 Wolljacke; 1 Baumwollpullover; 1 lange Hose; 1 kurze Hose; 3 T-Shirts; 3 Shorts; 3 Paar Wandersocken; 1 kleines Handtuch; 1 Kissenbezug (kann man für vorhandene Kissen verwenden oder mit Wäschestücken zum Kissen machen); 1 Schirmkappe; Seife, Shampoo, Nähzeug, Zahnbürste, Zahnpaste in Kleinformat; 1 Tube Hirschtalg; 1 Tube Waschmittel; 1 Reisepass; 1 Aufnahmegerät; 1 Schreibblock; 1 Kugelschreiber; Geld und Kreditkarte; 1 Paar Wanderschuhe aus Leder; Lederbalsam für die Schuhe; 1 Packung Pflaster; 1 Packung Teebeutel; 1 Taschenmesser; 1 Fotokamera; 1 Kompass; 3 Landkarten; 1 Reiseführer; 1 Buch; 1 Schlafsack; 1 Taschenlampe; 1 Trinkflasche, 1 Wanderstock (als Stütze, Rhythmusgeber, Schutz gegen vorlaute Hunde, zur Stacheldrahtüberwindung, als Hilfe zur Überquerung von Bächen oder sumpfigen Gebieten; zum Herunterbiegen von Ästen oder Herabschlagen von Früchten, als Sondierstab für Wassertiefe, zum Aufhängen der Wäsche).
    Gesamtgewicht des Rucksacks: 10 Kilogramm.
Le Puy-en-Velay, 22. September 1998
    Le Puy ist ein guter Ort, um eine Pilgerfahrt (ja, es heißt wirklich -fahrt) zu beginnen. Zwischen steilen, felsigen Bergen und Hügeln, Resten erloschener Vulkane, liegt die Hauptstadt des Départements Haute-Loire. Auf jedem der Hügel steht, salopp gesagt, entweder eine Kirche, eine Kathedrale, eine Kapelle oder eine riesenhafte Madonnenstatue mit Kind. Le Puy ist zweifellos ein heiliger Platz, zumindest war es einmal einer.
    Die Dame in der Sakristei der Kathedrale ist den Jakobsweg von Le Puy nach Santiago bereits dreimal gegangen. Das letzte Mal im Alter von 74 Jahren, nach ihrer schweren Hüftoperation. Sie erklärt uns sehr nett, dass wir einen offiziellen Pilgerpass bei unserer Heimatpfarrgemeinde oder bei einer der Jakobsgesellschaften hätten beantragen müssen, und wir verschweigen ihr, dass wir keine Heimatpfarrgemeinde haben. Sie gibt uns zum Trost eine Art Touristenbuch, in dem wir die Stempel unserer Etappen sammeln können. Auf dem Chemin de Saint Jacques, dem Jakobsweg in Frankreich, nütze uns ein offizieller Pilgerpass einer Pfarre oder der Jakobsgesellschaft
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