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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde
Autoren: diverse Autoren
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vergifteten Kater zu rächen und hundertfach zu ersetzen.
    Nach drei Jahren fruchtbarer Tätigkeit ging Daisy plötzlich ein. Dies war die Folge eines schweren Hiebes, den ihr irgendein Hausmeister unter dem unwürdigen Vorwand versetzt hatte, sie wäre in seine Speisekammer eingedrungen und hätte dort eine Gans gefressen.
    An dem Tag, da Daisy dahinschwand, kehrte ihre jüngste Tochter zu uns zurück, die ich meinem Nachbarn angehängt hatte. Sie blieb unter dem Namen Daisy II, dies in gerader Nachfolge ihrer verblichenen Mutter. Sie folgte geradezu vorbildlich nach. Als sie noch ein Katzenjüngferlein sein sollte, ging sie auf wie Kuchenteig und schenkte der Welt alsbald vier Junge. Eines schwarz, eines ziegelrot, eines gesprenkelt wie eine Pferdebohne und das vierte mit dem Schimmer durch Waschblau gezogener Bettücher.
    Daisy II warf dreimal jährlich mit der Präzision eines Naturgesetzes. Innerhalb von dreißig Monaten bereicherte sie die Fauna unserer Stadt durch einundzwanzig Katzen aller Farben und Rassen, die von der Insel Man ausgenommen, denn dort kommen die Katzen schwanzlos zur Welt.
    Das einundzwanzigste Junge brachte mich in größte Verlegenheit: Ich konnte keinen Abnehmer dafür finden. Eben hatte ich mich entschlossen, die Aufnahme in eine Freimaurerloge anzustreben, die mir einen neuen Bekanntenkreis erschließen sollte, als Nachbars Rolf Daisy II zu Tode biß. Wir trugen sie ins Haus und legten sie auf ein Bett. Ihre Kinnladen zuckten noch. Dann hörte das Zucken auf, und schon entsprangen ihrem dichten Fell Brigaden von Flöhen. Das ist das untrügliche Zeichen des eingetretenen Katzentodes.
    Das hinterbliebene Kätzchen wurde mit dem Namen Daisy III begabt und warf vier Monate später fünf Junge. Seit dieser Zeit erfüllt sie ihre Mission gewissenhaft in Intervallen von fünfzehn Wochen. Sie versäumte nur einen Termin: Während der heurigen Sommerfröste. Ich verzeihe ihr.
    Man würde gar nicht glauben, daß sie eine so große, unsterbliche Aufgabe hat. Sie sieht aus wie eine gewöhnliche dreifarbige Hausmiez, die den ganzen Tag auf dem Schoß des Familienpatriarchen schläft – oder auf dessen Bett –, einen ausgeprägten Sinn für persönliche Bequemlichkeit hat, gegen Mensch und Tier gesundes Mißtrauen hegt und, wenn es darauf ankommt, ihre Interessen und ihre angestammten Rechte mit Zahn und Kralle zu verteidigen weiß.
    Doch wenn die fünfzehn Wochen um sind, beginnt sie zitternde Unruhe zu zeigen, sitzt nervös vor der Tür und täuscht vor: »Mensch, ich muß schnell hinaus, ich vergehe vor Bauchgrimmen!« Dann fliegt sie wie eine Hexe ins nächtliche Dunkel und kehrt erst morgens wieder. Verfallen im Gesicht und mit Ringen unter den Augen.
    In dieser Zeit kommt vom Norden her, wo der große Friedhof sich breitet, ein riesiger schwarzer Kater. Vom Süden, wo es von Fabriken wimmelt, schleicht ein rotbrauner, einäugiger Raufbold daher. Der Westen, in dem die Zivilisation siedelt, entsendet einen Angorakater, der einen Schwanz wie Straußenfedern hat, und der Osten, wo gar nichts ist, liefert ein geheimnisvolles weißes Tier mit getigertem Schweif.
    Inmitten der vier sitzt dreifarben und schlicht Daisy III und lauscht bezaubert ihrem Geheul, ihren abgehackten Schreien, dem Gewimmer gemordeter Säuglinge, dem Grölen betrunkener Matrosen, den Saxophonen, dem Dröhnen der Trommel und den übrigen Instrumenten der Großen Katzensymphonie.
    Damit alles klar ist: Zum Katersein gehört nicht nur Kraft und Tapferkeit, es gehört auch Ausdauer dazu. Manchmal belagern die vier apokalyptischen Kater Daisys Heim eine volle Woche hindurch. Sie blockieren das Tor, dringen durch die Fenster ins Haus ein und entweichen wieder unter Zurücklassung höllischen Gestanks.
    Endlich kommt die Nacht, da Daisy III nicht auszugehen fordert. »Laßt mich schlafen«, sagt sie, »schlafen, in alle Ewigkeit schlafen. Schlafen, träumen – ach, ich bin ja so unglücklich!«
    Worauf sie in angemessener Frist fünf Junge wirft. Ich habe diesbezüglich schon meine Erfahrungen: Es werden fünf sein. Ich sehe sie schon vor mir, die teuren, süßen Dingerchen, wie sie wieder durch die Wohnung hüpfen und schleichen, vom Tisch die Stehlampe reißen, Schuhe von innen naß machen, mir die Beine entlang auf den Schoß kriechen, wie ich ein Junges im Ärmel finde, wenn ich den Rock anziehen will, die Krawatte unterm Bett, die ich umbinden wollte. Ja, mit Kindern hat man Sorgen, das wird jeder bestätigen. Es genügt
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