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Leon, Der Slalomdribbler

Leon, Der Slalomdribbler

Titel: Leon, Der Slalomdribbler
Autoren: Joachim Masannek
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hinaus.
    „Hey! Das ist mein Ball!”, protestierte ich und rannte, während ich mir noch den zweiten Fußballschuh anzog, hinter ihm her. „Bleib sofort stehen!”
    Doch Marlon dachte gar nicht daran.
    „Dann hol ihn dir doch!”, gab er zurück, sprang die Treppe hinunter und ins Esszimmer, wo er meinen Vater, der gerade mit dem Kaffee aus der Küche zurückkam, fast über den Haufen rannte.
    „Pass doch auf!”, schimpfte mein Vater, sprang im letzten Moment aus dem Weg und starrte dann auf den Ball. „Hey! Einen Moment! Hier geblieben! Woher kommt dieser Ball?”
    „Weiß ich nicht. Tut mir Leid. Das ist Leons Ball!”, antwortete Marlon und rannte durch die Küche in den Garten hinaus. Mein Vater drehte sich zur Treppe herum, doch das war keine gute Idee. Ich sprang gerade von der drittletzten Stufe hinab und direkt in seine Kaffeetasse hinein. Ja, und irgendwie kam der Kaffee so auf sein Hemd.
    „Pass doch auf!”, schimpfte er.
    „Ja, ja, mach ich doch!”, zischte ich ungeduldig, „aber Marlon hat Recht!“
    „Ach ja, und womit?” Mein Vater war richtig sauer:
    „Ich kenn diesen Ball. Der ist nicht vom Himmel gefallen.“
    „Das kann er auch nicht. Das ist nämlich meiner! Du hast ihn mir selbst zum Geburtstag geschenkt! Marlon, ich warn dich! Bleib sofort stehen!”, rief ich, flutschte an meinem Vater vorbei und raste durch die Küche in den Garten hinaus hinter ihm her.
    Doch Marlon war schon auf der Straße. Das Gartentor schwang gerade in seinem Windschatten zu. Ich riss es auf und rannte ihm nach. Das war mein Ball. Der erste Schuss auf dem Bolzplatz gehörte deshalb eindeutig mir. Nicht meinem Bruder! Ich rannte, was das Zeug hielt, als mich jemand von der Seite anrief: „Hey. Mach mal halblang!”
    Es war Marlon, der seelenruhig auf meinem Ball saß, den Rücken gegen die Gartenmauer gelehnt. Ich bremste mit quietschenden Sohlen und stapfte dampfend zu ihm zurück.
    „Das ist mein Ball!”, fauchte ich.
    „Ich weiß”, entgegnete Marlon und grinste mich an.
    „Dann gib ihn her!” Ich stand jetzt direkt vor meinem Bruder.
    „Ich denk nicht daran!”, grinste Marlon zurück. „Erst musst du Danke sagen.“
    „Wie bitte?” Ich konnte mich kaum noch beherrschen. „Du hast sie wohl nicht mehr alle!“

    „Ach ja? Was du nicht sagst!” Marlon grinste noch immer. „Und was meinst du, hätte Papa getan, wenn du einfach mit dem Ball aus dem Haus marschiert wärst? Hättest du ihm vielleicht gesagt: ,Ach, guten Morgen Papa, vergiss die Lampe in unserem Zimmer und das Fußballverbot. Das Wetter ist heute leider so gut, dass ich jetzt auf den Bolzplatz gehen muss?‘ Was meinst du, hätte er dich gelassen?“
    „Verflixt!”, fluchte ich. Marlon hatte ausnahmsweise mal Recht. Der Trick mit dem Ball war fantastisch gewesen. Er hätte von mir sein können. Doch das konnte ich ihm leider nicht sagen. Stattdessen fluchte ich weiter: „Du bist die Pest, weißt du das?“
    „Klar. Und du auch, falls dich das interessiert”, sagte Marlon, stand auf und warf mir meinen Ball zu: „Hier! Deshalb sind wir ja Brüder.“
    „Ganz genau. Leider sind wir das”, gab ich lächelnd zurück und warf ihm den Ball vor die Brust. Marlon fing ihn auf wie ein Torwart.
    „Ganz genau!”, sagte er. Dann rannte er los.
    „Hey! Das ist mein Ball!”, rief ich und rannte ihm nach.
    „Dann fang ihn doch!”, lachte Marlon und warf ihn zu mir zurück. So liefen wir glücklich die Straße hinab.

Auf und davon und durch nichts mehr zu halten!
    Aber natürlich war es an diesem Morgen nicht nur in der Hubertusstraße Frühling geworden. Überall in der Stadt juckten meinen Freunden die Füße und jeder von ihnen versuchte, gegen jede Chance und das auch noch so früh wie möglich, auf den Bolzplatz zu kommen.
    Felix, der Wirbelwind, hatte sich nicht an unserem verzweifelten Kampf gegen den Winter beteiligt. Er hatte keine Lampe und kein Fenster zerschossen, weil er mit ’ner Grippe im Bett liegen musste. Deshalb hatte es für ihn, genauso wie für Raban in der Rosenkavaliersgasse Nr.6, keinen Hausarrest und kein Fußballverbot gehagelt. Trotzdem stand Felix jetzt in der Küche der Karl-Valentin-Straße Nr.11 und schielte mit absolut konzentriert gerunzelter Stirn auf die Anzeige des Fieberthermometers in seinem Mund. Auf der anderen Seite des Thermometers stand seine Mutter und die tat dasselbe.

    „Unter 37°!”, hatte sie zu Felix gesagt: „Unter 37°, oder du kannst den Bolzplatz vergessen!“
    Das war
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