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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
Autoren: Craig Russell
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Summe«, fuhr ich fort. Besonders in einer Stadt, wo der durchschnittliche Wochenlohn bei sieben Pfund lag. »Und es kommt immer am 23. Juli?«
    »Ja. Manchmal einen Tag früher oder später …«
    »… wenn das Datum auf einen Sonntag fällt …«
    »… zum Beispiel.«
    »Ist das Ihr Geburtstag?«, fragte ich.
    »Nein«, entgegneten sie unisono mit dem gleichen Widerstreben im Gesicht.
    »Welche Bedeutung hat dann der 23. Juli?«
    Die Zwillinge sahen einander an, ehe sie antworteten.
    »Der Raub …«
    »… im Jahre 1938 …«
    »… bei der Empire Exhibition …«
    »… Samstag, der 23. Juli, war der Tag des Überfalls.«
    »Verstehen Sie …«
    »… unseren Zwiespalt?«, fragten die Zwillinge abwechselnd.
    Ich lehnte mich in meinen Sessel zurück und faltete die Hände – weise! – vor mir, während ich überlegte, wie gern ich gewisse Dinge gesehen hätte, an die ich bei »Zwiespalt« unwillkürlich denken musste. Tatsächlich wusste ich nicht weiter: Ich hatte in dem Moment, in dem ich sie sah, messerscharf geschlossen, dass Isa und Violet Zwillinge waren, und ich fand, mein Tagespensum an Holmes’scher Deduktion hatte ich damit erreicht. Ich entdeckte in beiden Gesichtern die gleiche Enttäuschung.
    »Wir wussten, dass Daddy wegmusste …«
    »… nach dem ganzen Ärger …«
    »… aber wir wussten, dass er sich um uns kümmerte …«
    »… indem er uns jedes Jahr Geld schickte …«
    Und da begriff ich. Die Entdeckung seiner Leiche im Fluss bedeutete, dass Gentleman Joe Strachan die vergangenen achtzehn Jahre in sprichwörtlich endgültiger Abgeschiedenheit verbracht hatte, und soweit ich wusste, stand auf dem Grund des Clydes kein einziger Briefkasten.
    »Also möchten Sie wissen, wer Ihnen das Geld geschickt hat, wenn es nicht Ihr Vater war?«
    »Genau«, antworteten Isa und Violet in emphatischem Unisono.
    »Es sei denn, es sind nicht die sterblichen Überreste Ihres Vaters, die dort gefunden wurden«, sagte ich.
    Die beiden identischen Köpfe wurden mit der gleichen grimmigen Sicherheit geschüttelt. »Die Polizei hat uns das Zigarettenetui gezeigt …«
    »… das wir sofort wiedererkannt haben.«
    »Wir erinnern uns daran genau …«
    »… und man hat uns gesagt, dass Daddy ohne sein Zigarettenetui nirgendwohin gegangen ist.«
    »Ist das alles, was Sie haben?«, fragte ich.
    »Nein …«
    »… die Kleider, die gefunden wurden …«
    »… waren zwar nur noch Lumpen …«
    »… aber man konnte die Etiketten noch lesen …«
    »… und sie stammten von Daddys Schneider …«
    »… und Daddy war immer sehr wählerisch, wo er seine Sachen kaufte.«
    »Ist sein Gebissschema vom Zahnarzt dokumentiert?«, fragte ich. Sie sahen mich mit blankem Unverständnis an, was mich eigentlich nicht hätte überraschen dürfen. Wir waren immerhin in Glasgow.
    »Unser Dad war groß …«
    »… eins achtzig …«
    »… und die Polizei sagt, die Schenkelknochen passen zu jemandem, der so groß ist …«
    Ich nickte. Ein Meter achtzig war groß für Glasgow. Es war meine Größe, und ich war groß für Glasgow. Widerstrebend schob ich die Geldbündel wieder über den Tisch. Isaac Newton hatte das Prinzip formuliert, nach dem jede Masse, angefangen von einer Kaffeetasse über einen Berg bis zur Erdkugel, ihr eigenes Schwerkraftfeld besitzt; für mich schien von Geld immer eine unwiderstehliche Anziehungskraft auszugehen, die in keinem Verhältnis zu seiner Masse stand. Und obwohl ich ein Objekt war, war ich alles andere als unbeweglich.
    »Meine Damen, ich muss Ihnen etwas sagen«, seufzte ich. »Ich halte es für keine gute Idee, wenn Sie in Glasgow mit so viel Geld in der Handtasche herumlaufen.«
    »Oh, das geht schon«, sagte Isa. »Violets Mann Robert hat uns hergefahren. Wir werden das Geld gleich auf der Clydesdale Bank um die Ecke einzahlen.«
    »Aber vorher wollten wir Sie sprechen.«
    »Gut«, gab ich zurück, »das Geld selbst bildet wohl den besten Ausgangspunkt. Offenbar ist es der einzige materielle Beweis, den wir im Augenblick haben. Er ist mit der Post gekommen, sagen Sie?«
    Auf ein weiteres Simultannicken folgte erneut ein koordinierter Doppelgriff in die Handtasche, was dazu führte, dass kurz darauf zwei leere braune Umschläge auf meinem Schreibtisch lagen. Die Adressen unterschieden sich, die Handschrift war die gleiche. Beide waren in London abgestempelt worden.
    »Sind das Ihre augenblicklichen Adressen?«
    Noch mehr harmonisches Nicken.
    »Und Sie hatten nie Kontakt zu dem
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