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Leitfaden China

Leitfaden China

Titel: Leitfaden China
Autoren: Hans Jakob Roth
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Gesellschaft mit anderen Augen zu sehen. Die recht diffuse anfängliche Kritik an uns und unserer Gesellschaft wird in der Auseinandersetzung mit einer Gastkultur immer präziser und schärfer. Wenn wir nicht aufpassen, grenzen wir uns mit dieser Haltung in der eigenen Gesellschaft selbst aus oder schaffen gar die Reintegration nicht mehr.
    Die Selbstkritik gerät in der anderen kulturellen Umgebung auch deutlich unter Druck, denn unsere eigene Identität muss klar sein, wenn wir uns erfolgreich integrieren wollen. Wer wir sind, woher wir kommen und wo wir stehen, werden zentrale Fragen, die Antworten verlangen. Ein eigener «Standpunkt» wird überlebenswichtig. Immerhin hilft es uns, dass wir Ausländer sind und bleiben, denn damit schützen wir uns erfolgreich gegen die schlimmsten Missstände in einem Gastland. Die Idee, dass wir ja keine Chinesen sind, hilft uns beträchtlich, über manche unschöneren Dinge hinwegzusehen. Diese Möglichkeit haben wir bei der Rückkehr in die eigene Gesellschaft nicht mehr. Ob wir wollen oder nicht, wir sind und bleiben Schweizer, Deutsche oder Franzosen. Es dürfte diese Problematik von präziser kritischer Einschätzung des eigenen Landes und von Unausweichlichkeit der eigenen Zugehörigkeit sein, welche den Hintergrund zum Rückkehrschock bildet, den wir nach einer längeren Abwesenheit von zu Hause ebenfalls empfinden werden, wenn wir in das eigene Land zurückkommen (siehe zum Kulturschock z. B. Hirsch, 2003 oder Winter, 1996).
    Angefügt sei hier ein gutes Beispiel eines Rückkehrschocks, wie er sich bereits nach einem siebenmonatigen Aufenthalt in China gezeigt hat. Eine Freundin hat mir den Tagebucheintrag kürzlich zur Verfügung gestellt. Die Namen sind geändert.
    «Gegen Mitternacht sind wir zuhause. Die Katzen reagieren auf mich und Peter als wären wir nie fort gewesen, was ich eigenartig finde. Wir packen unsere Koffer aus, ich gehe in unseren begehbaren Kleiderschrank und fühle mich erschlagen. Ich bin in 7 Monaten mit wenig ausgekommen und ohne etwas zu vermissen.
    Peter ist bereits wieder im Arbeitsprozess. Ich fühle mich wie in Watte und merkwürdig emotionslos, weder Freude noch Trauer kommen auf. Ich bin im neuen alten Leben und alles erscheint unwirklich, die letzten 7 Monate wie auch das Jetzt. Es vergehen einige Tage ohne dass sich wesentlich etwas daran ändern würde. Natürlich freue ich mich über das Wiedersehen mit meinen Freunden und der Familie. Der Alltag hat sich noch nicht eingestellt. Ich betrachte den Rhythmus, das geregelte Leben, den Wohlstand. Ich bringe die beiden Realitäten (China, Schweiz) nicht übereinander und verstehe auch, dass Peter mein Leben in China befremdete. Sangdela»
    Dieser Rückkehrschock ist gewissermassen das Gegenstück zum Kulturschock, wie er sich in der Fremdkultur anfänglich zeigt. Die persönliche Veränderung während des Auslandaufenthaltes sowie mangelnde Möglichkeiten, das Erlebte zu verarbeiten, macht der Rückkehrerin deutlich zu schaffen. Es vergehen je nach Person und Situation einige Wochen oder gar Monate, bis die Reintegration in der Heimat komplett vollzogen ist und eine neues Gleichgewicht zwischen neuer Erfahrung und alter Heimat gefunden wird.
    Zusammenfassende Bemerkungen
    Kultur ist nicht nur Resultat, sie ist vor allem auch Instrument und Prozess.
    Auf andere Kulturen zugehen heisst in erster Linie, sich so zu geben, wie man ist, damit die andere Person ein möglichst klares Bild erhält und die Person erkennen kann, die ihr gegenübersteht.

Erstes Kapitel
    Individual- und Kollektivgesellschaften
    Viele der heutigen Werke über China sind ausgezeichnet, was die Schilderung der angetroffenen Probleme und ihrer Lösungen angeht. Die operationellen Herausforderungen in Handel und Unternehmensführung scheinen einigermassen bekannt zu sein. Zudem gibt es heute genug Berater, welche die Wege zur Erlangung der Lizenz oder zur Registrierung der Vertretung kennen und bei deren Verwirklichung helfen können. Diese erste Welle der Schwierigkeiten im Umgang mit China scheint mir heute weitgehend bewältigt zu sein. Hingegen weist das umfassendere Verstehen der anderskulturellen Hintergründe immer noch grosse Lücken auf. Im folgenden möchte ich deshalb mit einem Modell versuchen, auf diese Erklärungshintergründe einzugehen. Dieses Verstehen soll eine bessere Abstützung der strategischen Überlegungen für Geschäft oder Auslandsinvestition ermöglichen helfen, denn opertionelles Handeln sollte
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