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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift
Autoren: Greg Iles
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gehört, und gemeinsam können wir etwas deswegen tun. Die Leute fühlen sich in der Regel besser, wenn sie über diese Dinge gesprochen haben.«
    »Was ich Ihnen sagen werde, Doktor, haben Sie bestimmt noch nie gehört«, erwiderte Alex Morse mit Bestimmtheit. »Weder in dieser Praxis noch außerhalb, das verspreche ich Ihnen.«
    Die Überzeugung in ihrer Stimme beunruhigte ihn, doch er hatte keine Zeit für Spielchen. Er sah demonstrativ auf seine Uhr. »Miss Morse, wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir schon verraten, was für ein Problem Sie haben.«
    »Es ist nicht mein Problem«, sagte die Frau. »Es ist Ihres.«
    Noch während Chris verwirrt die Stirn runzelte, griff die Frau in eine kleine Handtasche hinter sich auf dem Stuhl und brachte ein Etui zum Vorschein. Sie klappte es auf und hielt es ihm hin, damit er es betrachten konnte. Er sah einen Ausweis mit einem blauweißen Siegel. Er schaute genauer hin. Fette Buchstaben auf der rechten Seite des Ausweises bildeten das Wort FBI. Sein Magen krampfte sich zusammen. Links von den drei Buchstaben stand in kleinerer Schrift Special Agent Alex Morse. Dazu ein Foto der Frau, die vor ihm stand. Auf dem Foto lächelte Spezialagentin Morse, doch die Frau vor ihm lächelte nicht.
    »Ich muss über ein paar vertrauliche Dinge mit Ihnen sprechen«, sagte sie. »Es wird nicht lange dauern. Ich habe vorgegeben, als Patientin zu Ihnen zu kommen, weil niemand in Ihrem Umfeld erfahren soll, dass Sie mit einer FBI-Agentin gesprochen haben. Bevor ich gehe, sollten Sie mir ein Rezept für Levaquin ausstellen. Sagen Sie Ihrer Sprechstundenhilfe, dass ich eine Harnwegsinfektion habe. Sagen Sie ihr, die Symptome wären so offensichtlich gewesen, dass Sie keine Urinprobe analysieren mussten. In Ordnung?«
    Chris war zu überrascht, um eine bewusste Entscheidung zu fällen. »Sicher«, sagte er. »Aber was hat das zu bedeuten? Ermitteln Sie in einem Fall? Ermitteln Sie gegen mich?«
    »Nicht gegen Sie.«
    »Jemanden, den ich kenne?«
    Agentin Morse blickte ihm fest in die Augen. »Ja.«
    »Wen?«
    »Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Vielleicht sage ich es Ihnen am Ende dieser Unterhaltung. Zuerst jedoch möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Eine kurze Geschichte. Wollen Sie sich setzen, Doktor?«
    Chris setzte sich auf den Hocker, den er in seinem Untersuchungszimmer für gewöhnlich benutzte. »Kommen Sie wirklich aus North Carolina? Oder ist das nur Tarnung?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Sie sprechen wie eine Yankee, aber darunter höre ich einen Mississippi-Dialekt.«
    Agentin Morse lächelte – oder schenkte ihm zumindest etwas, das ein Lächeln darstellen sollte, indem sie die straffen Lippen ein wenig verzog. »Sie haben gute Ohren, Doktor. Ich bin in Jackson aufgewachsen. Heute lebe und arbeite ich jedoch in Charlotte, North Carolina.«
    Er war froh, dass sie seine Vermutung bestätigte. »Bitte fahren Sie fort, Miss Morse.«
    Sie setzte sich auf den Stuhl, auf dem ihre Handtasche gestanden hatte, schlug die Beine übereinander und musterte ihn kühl. »Vor fünf Wochen starb meine Schwester an einer Hirnblutung. Im University Hospital in Jackson.«
    »Das tut mir leid.«
    Agentin Morse nickte, als wäre sie über den Verlust hinweg, doch in ihren Augen bemerkte Chris zurückgehaltene Emotionen. »Ihr Tod kam plötzlich und unerwartet. Doch bevor sie starb, sagte sie etwas zu mir, das in meinen Ohren verrückt klang.«
    »Was?«
    »Sie sagte, dass sie ermordet wurde.«
    Er war nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte. »Sie meinen, sie hat Ihnen erzählt, jemand hätte sie umgebracht?«
    »Ganz genau. Und zwar ihr Ehemann.«
    Chris dachte für ein paar Sekunden nach. »Was hat die Autopsie ergeben?«
    »Ein tödliches Blutgerinnsel in der linken Gehirnhälfte, in der Nähe des Hirnstamms.«
    »Litt Ihre Schwester an einer Krankheit, die einen Hirnschlag wahrscheinlich gemacht hätte? Diabetes beispielsweise?«
    »Nein.«
    »Nahm Ihre Schwester eine Antibabypille?«
    »Ja.«
    »Das könnte das Gerinnsel verursacht oder zu seiner Bildung beigetragen haben. Hat sie geraucht?«
    »Nein. Die Sache ist, die Autopsie ergab keine unnatürliche Ursache für den Hirnschlag. Keine Drogen, keine Gifte, nichts dergleichen.«
    »Hat der Mann Ihrer Schwester sich gegen die Autopsie gesträubt?«
    Agentin Morse bedachte ihn mit einem anerkennenden Blick. »Nein, hat er nicht.«
    »Und Sie haben ihr trotzdem geglaubt? Sie haben tatsächlich geglaubt, ihr
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