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Leises Gift

Leises Gift

Titel: Leises Gift
Autoren: Greg Iles
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es geschafft, dreißig Jahre alt zu werden, ohne verheiratet zu sein. Nach Jahren mit Kerlen, die auf Abzeichen standen, oder Kerlen, die davor wegliefen, hatte sie endlich einen Antrag angenommen – nur um die Verlobung drei Monate später wieder zu lösen, nachdem sie herausgefunden hatte, dass ihr zukünftiger Ehemann sie mit ihrer besten Freundin betrog. In Liebesangelegenheiten war sie eine Stümperin.
    »Grace«, flüsterte sie eindringlich. »Warum sollte Bill so etwas tun?«
    »Eine anbere«, sagte Grace. »Anbere Brau.«
    »Eine andere Frau? Bist du sicher?«
    Ein weiteres verzerrtes Lächeln. »Uh … Brau … weib …«
    Alex glaubte ihr. Während ihrer Verlobungszeit mit Peter Hodges hatte ihr eine Art sechster Sinn gesagt, dass irgendetwas in ihrer Beziehung nicht stimmte. Lange bevor es einen deutlichen Hinweis gegeben hatte, war ihr bewusst gewesen, dass Peter sie betrog. Sie hatte es einfach gewusst. Hätte sie den gleichen Instinkt in Bezug auf gewöhnliche Verbrechen gehabt, wäre ihre Karriere viel glanzvoller verlaufen.
    »Wenn Bill mit einer anderen Frau zusammen sein will, warum lässt er sich nicht einfach von dir scheiden?«, fragte sie.
    »Gelb … Bummerben … Würbe Biw Miwonen kobten, bib scheiden bu labben … bünb Miwonen bebimb …«
    Alex lehnte sich ungläubig zurück. Sie hatte gewusst, dass Bill seit einer Reihe von Jahren erfolgreich war, doch sie hatte nicht geahnt, dass er richtiggehend reich geworden war. Warum in Gottes Namen unterrichtete Grace dann immer noch in einer Grundschule? Weil sie es gerne tut, beantwortete sie die Frage selbst. Weil sie ohne Arbeit nicht leben kann.
    Grace hatte die Augen geschlossen, offensichtlich erschöpft. »Bag … Mom … Ib biebe bie«, sagte sie. »Bag ihr … ib warte aub bie … im Himmeb …« Das Lächeln animierte erneut die lebendige Hälfte ihres Gesichts. »Wenn ib eb … schabbe …«
    »Du hast es geschafft, Liebes«, sagte Alex und ballte die freie Hand zur Faust, die sie sich vor die Lippen presste.
    »Nun sieh sich das einer an, Dr. Andrews!«, dröhnte Bill Fennells Stimme. »Sie sieht aus, als könnte sie jeden Moment aufstehen und aus dem Bett springen!«
    Grace riss die Augen auf und schien vor ihrem Mann zu schrumpfen. Es sah aus, als benutzte sie Alex als Schild. Das Entsetzen in ihren Augen tat Alex in der Seele weh, doch es versetzte sie auch in höchste Verteidigungsbereitschaft. Sie erhob sich und versperrte Bill den Weg ans Krankenbett.
    »Ich denke, es ist besser, wenn du nicht reinkommst«, sagte sie und starrte ihrem Schwager kalt in die Augen.
    Bills Unterkiefer sank herab. Er sah an Alex vorbei zu Grace, die sich im Bett zu ducken schien. »Was redest du da?«, fragte er wütend. »Was soll das bedeuten? Hast du Grace irgendwas über mich erzählt?«
    Alex blickte zu Dr. Andrews, die verwirrt dreinschaute. »Nein. Eher im Gegenteil, fürchte ich.«
    Bill schüttelte in augenscheinlicher Verwirrung den Kopf. »Ich verstehe nicht …«
    Alex suchte in seinen braunen Augen nach einer Spur von Schuld. Graces Ängste und Anschuldigungen waren wahrscheinlich das Produkt der Halluzinationen einer sterbenden Frau, doch es gab keinen Zweifel, was die Echtheit ihres Entsetzens anging. »Du bringst sie durcheinander, Bill, das siehst du doch. Du solltest nach unten gehen und auf Jamie warten.«
    »Ich werde unter gar keinen Umständen von der Bettseite meiner Frau weichen!«, dröhnte er. »Nicht, wenn es aussieht, als könnte sie …«
    »Was?«, fragte Alex mit einem herausfordernden Unterton. »Als könnte sie was, Bill?«
    Er senkte die Stimme. »Als könnte sie …«
    Alex blickte Dr. Andrews an.
    Die Neurologin trat zu Bill. »Vielleicht sollten wir Grace und ihrer Schwester noch ein bisschen mehr Zeit allein lassen.«
    »Versuchen Sie nicht, mich auf diese Weise zu beschwichtigen!«, sagte Bill aufgebracht. »Ich bin Graces Ehemann, und ich entscheide, wer …«
    »Sie ist mein Blut«, sagte Alex mit unumstößlicher Überzeugung. »Deine Anwesenheit hier bringt sie durcheinander, und nichts anderes zählt. Wir müssen sie so ruhig wie möglich halten. Ist es nicht so, Dr. Andrews?«
    »Absolut.« Meredith Andrews ging um Alex herum und blickte auf ihre Patientin hinunter. »Grace, können Sie mich verstehen?«
    »Ja.«
    »Möchten Sie Ihren Mann bei sich hier im Zimmer haben?«
    Grace schüttelte langsam den Kopf. »Ib … wibb … mein … Baby … Wibb Jamie …«
    Dr. Andrews blickte zu Bill Fennell auf, der
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