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Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt

Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt

Titel: Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
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Füße ins Wasser baumeln zu lassen.
    Sie hatte genug von McQuillan und war am Ende ihrer Geduld. Trotzdem sprach sie ruhig und würdevoll. »Na schön, Marshall , nun haben Sie mir also die Meinung gesagt«, erklärte sie und schaute ihm fest in die Augen. »Wenn Sie jetzt so freundlich wären, mich allein zu lassen? Es gibt nämlich Menschen, die für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten müssen und deren knapp bemessene Freizeit kostbar ist.«
    Er lachte, zog seinen Hut und presste ihn an seine Brust, als wollte er eine blutende Wunde stillen. Im Sonnenlicht glänzte sein Haar wie pures Gold, das ein Zauberer auf seiner Spindel gesponnen hatte, und das Blau seiner Augen leuchtete wie kostbare Saphire. Seit mehr als einem Jahr hatte sie ihm fast täglich das Essen serviert. Wieso war ihr dabei nie aufgefallen, was für ein gefährlich gutaussehender Mann der Marshall war?
    »Auch ich muss arbeiten, Ma'am, selbst wenn es manchmal nicht danach ausgesehen hat«, entgegnete er. »Ich werde Ihnen beweisen, daß Sie mich vollkommen falsch eingeschätzt haben, und ich bin entschlossen, Ihr Vertrauen zu gewinnen. Ja, dazu bin ich wirklich fest entschlossen.«
    Aislinn drehte sich um und hob ihren Rock gerade so weit, wie es noch züchtig war, um besser über den Friedhofszaun klettern zu können. »Machen Sie sich bloß keine Umstände«, sagte sie und schwang das eine Bein über die oberste Stange des Zaunes. »Einen schönen Tag noch, Marshall !« Damit zog sie das zweite Bein über die Stange und wollte auf der anderen Seite ins Gras springen, aber irgendwie blieb ihr Kleid an einem Splitter hängen, so daß sie nach vorne fiel und der Rock über ihren Kopf rutschte.
    Aislinn rappelte sich auf. Ihr Herz raste, und ihr Gesicht war vor Scham feuerrot. Es war ihr schrecklich peinlich, daß er, wenn auch nur kurz, ihre nackten Schenkel gesehen hatte - und ihre grobe Wollunterhose. Im gleichen Moment sprang der Marshall über den Zaun, wobei er sich heroisch das Lachen verkniff. »Alles in Ordnung?« fragte er und fuhr ihr mit den Fingerspitzen merkwürdig zärtlich über die Wange.
    Aislinn sah ihn nicht an, sondern strich zuerst ihren Rock glatt und beschäftigte sich dann mit ihren Haaren, da sich einzelne Strähnen aus dem sorgfältig geflochtenen Zopf gelöst hatten. Als sie ihn schließlich doch anschaute, glitzerten zwei Wut-Tränchen in ihren Augenwinkeln.
    »Du bist verletzt«, stellte er besorgt fest. Er verlagerte sein Gewicht, so daß er ganz dicht neben ihr stand und sie seine Wärme und seine Kraft spürte. Einen wunderbar furchtbaren Moment lang dachte sie, daß er sie küssen würde, aber statt dessen trat er einen Schritt zurück. »Ich schätze allerdings, daß in erster Linie dein Stolz verletzt ist.« Er setzte den Hut wieder auf, und sie sah, wie seine blauen Augen blitzten - aber wenigstens besaß er so viel Anstand, nicht zu grinsen. »Ich gehe dann jetzt wieder zurück.«
    Zurück in den Saloon, dachte Aislinn bitter, aber im gleichen Augenblick empfand sie eine unglaubliche Zärtlichkeit für diesen Mann, was sie sich überhaupt nicht erklären konnte. Sollte Eugenie etwa recht haben? War McQuillan doch ein anständiger Kerl und ein guter Mann? Hatte er die Zeit der Trauer hinter sich gelassen und blickte nun wieder nach vorne, in die Zukunft?
    »Hast du sie geliebt?« Die Worte sprudelten einfach so aus ihr heraus. Wenn sie bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte sie nie eine so direkte und persönliche Frage gestellt. »Ich meine Grace«, fügte sie hinzu.
    Er drehte sich um und hakte beide Daumen in den Gürtel, an dem der schwere Revolver hing. Sie konnte seine Augen nicht erkennen, da sie im Schatten der Hutkrempe lagen. »Ja«, erwiderte er ernst und ohne zu zögern. »Ich habe sie sehr geliebt.«
    Aislinn stand eine Weile regungslos da. Plötzlich sah sie Shay McQuillan in einem ganz anderen Licht. Nach diesen wenigen Worten verstand sie ihn, und sie wusste , daß die Meinung, die sie sich vorschnell über ihn gebildet hatte, falsch war. Sie beobachtete ihn, wie er über den Zaun stieg und über die Hauptstraße zur Stadt zurückging.
    Sie selbst ging um die Kirche herum zum Teich und setzte sich auf ihren Lieblingsfelsen. Es war unglaublich still und friedlich hier; nur das Säuseln der Blätter im Wind war zu hören. Sie sah, wie sich vorsichtig ein Reh dem Teich näherte, sie aufmerksam beäugte und dann den Kopf senkte, um zu trinken, wobei sich ein zarter Wellenkranz bildete, der si ch
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