Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
er die Felder und fütterte die Schweine.«
    »Ich sage Ihnen, ich habe nichts davon gewusst! Sophia hat mir nie ein Wort gesagt.«
    »Und wenn sie es getan hätte, hätten Sie ihn dann anerkannt? Ich glaube es nicht. Und so hatte die arme Sophia keine Wahl, als den erstbesten Mann zu heiraten, der sie haben wollte.«
    »Ich hätte den Jungen unterstützt. Ich hätte für sein Auskommen gesorgt.«
    »Aber Sie haben es nicht getan. Alles, was er erreicht hat, hatte er seinen eigenen Anstrengungen zu verdanken. Macht
es sie nicht stolz, der Vater eines so bemerkenswerten Sohnes zu sein? Eines Sohnes, der sich in seinem kurzen Leben aus seinen bescheidenen Verhältnissen so weit hochgearbeitet hatte?«
    »Ich bin stolz«, entgegnete Grenville leise. »Wenn Sophia sich doch nur vor Jahren schon an mich gewandt hätte.«
    »Sie hat es versucht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Fragen Sie Charles. Er hat gehört, was seine Mutter gesagt hat. Mrs. Lackaway sagte ihm, sie wollte nicht, dass noch einer Ihrer Bastarde plötzlich in der Familie auftauche. Sie sagte, sie sei vor zehn Jahren schon einmal gezwungen gewesen, in Ordnung zu bringen, was Sie angerichtet hatten.«
    »Vor zehn Jahren?«, fragte Wendell. »Ist es nicht so lange her, dass...«
    »Dass Norris’ Mutter verschwand«, vollendete Rose. Sie atmete zitternd ein, und ihre Stimme klang plötzlich tränenerstickt. »Wenn Norris das nur gewusst hätte! Es hätte ihm so unendlich viel bedeutet zu wissen, dass seine Mutter ihn geliebt hat. Dass sie ihn nicht im Stich gelassen hat, sondern vielmehr ermordet wurde.«
    »Ich habe nichts zu meiner Verteidigung vorzubringen, Miss Connolly«, sagte Grenville. »Ich habe so viele Sünden auf mich geladen, dass ich den Rest meines Lebens damit zubringen muss, Buße zu tun, und das ist auch meine Absicht.« Er sah Rose unverwandt an. »Nun gibt es anscheinend irgendwo ein kleines Mädchen, das ein Zuhause braucht. Und ich schwöre Ihnen, dass ich alles tun werde, um diesem Mädchen alle Annehmlichkeiten und alle Chancen im Leben zu bieten.«
    »Ich werde Sie beim Wort nehmen«, erwiderte Rose.
    »Wo ist sie? Werden Sie mich zu meiner Tochter bringen?«
    Rose hielt seinem Blick stand. »Wenn es an der Zeit ist.«
    Das Feuer im Kamin war erloschen, und draußen erhellte schon das erste Licht der Morgendämmerung den Himmel.

    Constable Lyons erhob sich aus seinem Sessel. »Ich verlasse dich jetzt, Aldous. Was Eliza betrifft – es geht hier um deine Familie, und es ist deine Entscheidung, wie viel du zuzugeben bereit bist. Im Augenblick steht Mr. Jack Burke im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Er ist momentan in ihren Augen das Monster. Aber ich bin sicher, dass schon bald ein anderer ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. So viel weiß ich über die Menschen: Ihre Gier nach Monstern ist unersättlich.« Er verabschiedete sich mit einem Nicken und verließ das Haus.
    Nach einer Weile erhob sich auch Wendell, um zu gehen. Er störte hier schon allzu lange und hatte allzu offen ausgesprochen, was er dachte. Und so schwang ein entschuldigender Unterton in seiner Stimme, als er sich von Dr. Grenville verabschiedete, der nicht aufstand, sondern in seinem Sessel sitzen blieb und in die Asche starrte.
    Rose folgte Wendell in die Eingangshalle. »Sie haben sich als wahrer Freund gezeigt«, sagte sie. »Ich danke Ihnen für alles, was Sie getan haben.«
    Sie umarmten sich, und trotz der tiefen gesellschaftlichen Kluft, die sie trennte, erschien die Geste beiden vollkommen natürlich. Norris Marshall hatte sie zusammengebracht; nun würde die Trauer um ihn sie für immer aneinander binden. Wendell war im Begriff, zur Tür hinauszugehen, als er noch einmal innehielt und sich zu ihr umdrehte.
    »Woher haben Sie es gewusst?«, fragte er. »Wo doch Norris selbst es nicht erkannt hat?«
    »Dass Dr. Grenville sein Vater ist?«
    »Ja.«
    Sie nahm seine Hand. »Kommen Sie mit.«
    Sie führte ihn die Treppe hinauf in den ersten Stock. Im Halbdunkel des Flurs blieb sie stehen, um die Lampe zu entzünden, und trat damit auf eines der Porträts an der Wand zu. »Hier«, sagte sie. »Das hat mich darauf gebracht.«
    Er starrte das Bildnis eines dunkelhaarigen jungen Mannes an, der an einem Schreibtisch stand und die Hand auf einen
Totenschädel legte. Die braunen Augen sahen Wendell herausfordernd an.
    »Das ist ein Porträt von Aldous Grenville im Alter von neunzehn Jahren«, sagte Rose. »Das hat Mrs. Furbush mir gesagt.«
    Wendell konnte sich nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher