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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub
Autoren: Tess Gerritsen
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Ruf ruiniert sein. Ich werde nicht ruhen, bevor er aus Boston vertrieben ist.«
    »Nicht, dass es noch eine Rolle spielte«, sagte Grenville resigniert. »Norris ist tot.«
    »Wodurch sich uns nun eine Chance eröffnet. Eine Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Mr. Marshall können wir nicht mehr helfen, und ihm kann auch nichts mehr etwas anhaben. Er kann nicht noch mehr leiden, als er bereits gelitten hat. Wir könnten den Skandal einfach stillschweigend im Sande verlaufen lassen.«
    »Ohne seinen Namen reinzuwaschen?«
    »Auf Kosten des Namens deiner Familie?«
    Wendell hatte bis zu diesem Zeitpunkt geschwiegen. Doch jetzt war er so entsetzt, dass er sich nicht länger beherrschen konnte: »Sie würden zulassen, dass Norris als der West End Reaper zu Grabe getragen wird? Obwohl Sie wissen, dass er unschuldig ist?«
    Constable Lyons sah ihn an. »Es gilt noch an andere Unschuldige zu denken, Mr. Holmes. An den jungen Charles zum Beispiel. Es ist schmerzlich genug für ihn, dass seine Mutter ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hat, und das in aller Öffentlichkeit. Wollen Sie ihn auch noch zwingen, mit dem Stigma zu leben, der Sohn einer Mörderin zu sein?«
    »Es ist die Wahrheit, oder nicht?«
    »Die Öffentlichkeit hat keinen Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren.«

    »Aber wir sind es Norris schuldig. Seinem Andenken.«
    »Er hätte nichts mehr von einer solchen Wiedergutmachung. Wir werden ihn nicht offen beschuldigen. Wir werden einfach Stillschweigen wahren und der Öffentlichkeit gestatten, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.«
    »Auch wenn diese Schlüsse falsch sind?«
    »Wem schadet es? Keinem Menschen, der noch atmet.« Lyons seufzte. »Ohnehin wird es noch zu einem Prozess kommen. Mr. Jack Burke wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Galgen verurteilt werden, allein schon für den Mord an Billy Piggott. Durchaus möglich, dass dabei die Wahrheit ans Licht kommt und es uns nicht gelingt, sie unter Verschluss zu halten. Aber wir müssen sie auch nicht hinausposaunen.«
    Wendell sah Dr. Grenville an, der unterdessen geschwiegen hatte. »Sir, Sie würden eine solche Ungerechtigkeit gegen Norris zulassen? Er hatte Besseres verdient.«
    Grenville erwiderte leise: »Ich weiß.«
    »Es ist eine falsche Ehre, an der Ihre Familie so erbittert festhält, wenn Sie dafür das Andenken eines unschuldigen Mannes besudeln müssen.«
    »Ich muss auch an Charles denken.«
    »Und das ist alles, was für Sie zählt?«
    »Er ist mein Neffe!«
    Da ertönte plötzlich eine andere Stimme: »Und was ist mit Ihrem Sohn, Dr. Grenville?«
    Verblüfft drehte Wendell sich um und starrte Rose an, die in der Tür des Salons aufgetaucht war. Der Kummer hatte alle Farbe aus ihrem Gesicht weichen lassen, und was er sah, hatte wenig Ähnlichkeit mit dem lebhaften jungen Mädchen, das sie einmal gewesen war. An ihrer Stelle erblickte er eine Fremde, kein Mädchen mehr, sondern eine Frau mit versteinerter Miene, die aufrecht und unbeugsam dastand und Dr. Grenville fixierte.
    »Sie wussten doch sicherlich, dass Sie noch ein weiteres Kind gezeugt hatten«, sagte sie. »Er war ihr Sohn.«

    Grenville stöhnte gequält auf und ließ den Kopf in die Hände sinken.
    »Er hat es nie erfahren«, sagte sie. »Aber ich habe es gesehen. Und Sie müssen es auch gesehen haben, Dr. Grenville, schon als Sie ihm das erste Mal gegenüberstanden. Wie vielen Frauen haben Sie noch Ihren Willen aufgezwungen, Sir? Wie viele uneheliche Kinder haben Sie noch gezeugt, von denen Sie nicht einmal wissen? Kinder, die in diesem Moment um ihr Überleben kämpfen?«
    »Es gibt keine anderen.«
    »Wie können Sie das wissen?«
    »Ich weiß es!« Er blickte auf. »Was zwischen mir und Sophia war, liegt lange zurück, und wir haben es beide hinterher bereut. Wir haben meine teure Frau betrogen. Ich habe so etwas nie wieder getan, nicht, solange Abigail lebte.«
    »Sie haben Ihrem eigenen Sohn den Rücken gekehrt.«
    »Sophia hat mir nie gesagt, dass der Junge von mir war! Die ganzen Jahre, während er in Belmont heranwuchs, hatte ich keine Ahnung. Bis zu dem Tag, als er im College ankam und ich ihm zum ersten Mal begegnete. Da erkannte ich...«
    Wendell blickte zwischen Rose und Grenville hin und her. »Sie reden doch nicht etwa von Norris ?«
    Rose fixierte weiterhin Grenville. »Während Sie in diesem vornehmen Haus wohnten, Doktor, während Sie in Ihrer prächtigen Kutsche zu Ihrem Landsitz in Weston fuhren, bestellte
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