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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub
Autoren: Tess Gerritsen
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das sie auf dem Beistelltisch absetzte. »Sir«, sagte sie leise, »ich habe dem jungen Mr. Lackaway eine Dosis Morphium gegeben, wie Sie befohlen haben. Er schläft jetzt.«

    Grenville nickte nur schweigend.
    »Und Miss Connolly?«, fragte Constable Lyons sie.
    »Sie weigert sich, den Leichnam des jungen Mannes zu verlassen, Sir. Ich habe versucht, sie von ihm wegzuziehen, aber sie weicht nicht von seinem Sarg. Ich weiß nicht, was wir mit ihr machen sollen, wenn sie ihn morgen früh abholen kommen.«
    »Lassen Sie sie. Das Mädchen hat allen Grund zu trauern.«
    Mrs. Furbush zog sich zurück, und Grenville sagte leise: »Wie wir alle.«
    Lyons schenkte ein Glas Brandy ein und drückte es seinem Freund in die Hand. »Aldous, du darfst nicht dir die Schuld an Elizas Taten geben.«
    »Aber ich gebe mir die Schuld. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich hätte Verdacht schöpfen müssen.« Grenville seufzte und leerte das Brandyglas in einem Zug. »Ich wusste, dass sie für Charles alles getan hätte. Aber für ihn zu töten ?«
    »Wir können nicht mit Gewissheit sagen, ob sie allein gehandelt hat. Jack Burke schwört, dass er nicht der Reaper ist, aber er war vielleicht in die Morde verwickelt.«
    »Dann war sie ganz gewiss die Anstifterin.« Grenville starrte sein leeres Glas an und sagte leise: »Eliza wollte immer alles selbst bestimmen, schon, als wir noch Kinder waren.«
    »Aber wie viel von ihrem Schicksal kann eine Frau je selbst bestimmen, Aldous?«
    Grenville senkte den Kopf und sagte mit gedämpfter Stimme: »Die arme Aurnia sicherlich am allerwenigsten. Ich habe keine Entschuldigung für das, was ich getan habe. Nur, dass sie ein bezauberndes Wesen war, einfach bezaubernd. Und ich bin nichts als ein einsamer alter Mann.«
    »Du hast versucht, das Ehrenhafte zu tun. Das soll dir ein Trost sein. Du hast Mr. Wilson engagiert, um das Kind zu finden, und du warst bereit, für sie zu sorgen.«
    »Ehrenhaft?« Grenville schüttelte den Kopf. » Ehrenhaft
wäre es gewesen, schon vor Monaten für Aurnia zu sorgen, anstatt ihr ein hübsches Halsband in die Hand zu drücken und sie dann sitzen zu lassen.« Er blickte auf, und seine Augen spiegelten seine inneren Qualen. »Ich schwöre dir, ich habe nicht gewusst, dass sie mein Kind unter dem Herzen trug. Nicht bis zu dem Tag, als ich sie auf dem Seziertisch liegen sah. Erst als Erastus darauf hinwies, dass sie vor Kurzem niedergekommen war, wurde mir klar, dass ich ein Kind hatte.«
    »Aber du hast es Eliza nie gesagt?«
    »Niemandem außer Mr. Wilson. Ich war fest entschlossen, für das Wohl des Kindes zu sorgen, aber ich wusste, dass Eliza es als Bedrohung empfinden würde. Ihr verstorbener Mann hatte Pech mit seinen Finanzen. Sie lebte hier von meiner Mildtätigkeit.«
    Und dieses neue Kind könnte alles für sich beanspruchen, dachte Wendell. Er dachte an die ganzen abfälligen Bemerkungen über die Iren, die er von den Welliver-Schwestern und Edward Kingstons Mutter zu hören bekommen hatte, wie überhaupt von fast allen Damen der feinen Gesellschaft in den besten Häusern Bostons. Die Zukunft ihres einzigen, innigst geliebten Sohnes, der leider gar kein Talent zum Geldverdienen hatte, nun durch die Brut eines einfachen Stubenmädchens bedroht zu sehen, musste in Elizas Augen ein unerhörter Frevel gewesen sein.
    Und doch war es ein irisches Mädchen gewesen, das sie am Ende überlistet hatte. Rose Connolly hatte dafür gesorgt, dass das Kind am Leben geblieben war, und Wendell konnte sich vorstellen, wie das Mädchen Eliza allmählich zur Raserei getrieben hatte, indem sie ihren Nachstellungen immer wieder entwischt war. Er dachte an die brutalen Schnittwunden, die Agnes Poole beigebracht worden waren, an die Torturen, die Mary Robinson erlitten hatte, und er begriff, dass die wahre Zielscheibe von Elizas Wut Rose gewesen war, und mit ihr alle Mädchen wie sie, all die zerlumpten Einwanderinnen, die die Straßen von Boston bevölkerten.

    Lyons nahm Grenvilles Glas, füllte es auf und gab es ihm wieder. »Es tut mir leid, Aldous, dass ich die Ermittlungen nicht früher an mich gezogen habe. Bis ich mich einschaltete, hatte dieser Idiot von Pratt es schon geschafft, in der Bevölkerung einen wahren Blutrausch auszulösen.« Lyons schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, der junge Mr. Marshall war das unglückliche Opfer dieser Hysterie.«
    »Dafür muss Pratt büßen.«
    »Oh, er wird dafür büßen. Dafür sorge ich schon. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird sein
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