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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe
Autoren: Simon Beckett
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ebenso sein Humor und sein Glaube an das Gute im Menschen, der trotz der
     jahrelangen Beschäftigung mit den dunkleren Seiten des menschlichen Wesens ungetrübt geblieben war.
Und du bist selbst nicht völlig unversehrt,
dachte ich, als ich die hässliche Narbe unter meinem Hemd spürte.
    Toms Kombi stand auf dem Parkplatz, der direkt an die Anlage grenzte. Wir blieben am Tor stehen und zogen Schutzhandschuhe
     und Überschuhe aus, bevor wir hinausgingen. Nachdem sich das Tor hinter uns geschlossen hatte, |18| ließ nichts mehr erahnen, was sich auf der anderen Seite befand. Die Bäume hinter dem Zaun raschelten harmlos in der Brise,
     an den kahlen Ästen waren die ersten grünen Knospen zu sehen.
    Sobald wir draußen waren, nahm ich mein Handy aus der Tasche und schaltete es wieder ein. Obwohl es nicht verboten war, wäre
     es mir unangenehm gewesen, die friedliche Stille in der Forschungseinrichtung mit Telefonklingeln zu stören. Dabei erwartete
     ich nicht einmal Anrufe. Die Leute, die mich hätten anrufen können, wussten, dass ich außer Landes war, und der Mensch, mit
     dem ich am meisten hätte sprechen wollen, würde sich nicht melden. Trotzdem merkte ich, dass ich auf den Ton wartete, der
     ankündigte, dass ich eine Nachricht erhalten hatte. Doch das Handy blieb stumm.
    Was hast du denn erwartet?
    Ich steckte das Telefon weg, während Tom den Kofferraum öffnete und seine Tasche hineinschob. Er versuchte, sein Schnaufen
     vor mir zu verbergen, und ich bemühte mich, so zu tun, als würde ich es nicht bemerken.
    «Soll ich dich zur Cafeteria mitnehmen?», bot er an.
    «Nein danke. Ich werde zu Fuß gehen. Die Bewegung tut mir gut.»
    «Bewundernswerte Disziplin. Du beschämst mich.» Sein Handy klingelte. Er zog es hervor und schaute auf das Display. «Entschuldige,
     ich muss rangehen.»
    Ich ließ ihn allein und ging über den Parkplatz. Die Body Farm lag zwar auf dem Campus der medizinischen Abteilung der Universität
     von Tennessee, war aber völlig unabhängig von ihr. Versteckt am bewaldeten Rand des Geländes, war sie eine ganz andere Welt
     als die belebte Klinik, in deren modernen Gebäuden und parkähnlichen Grünanlagen es vor Patienten, Studenten und medizinischem
     Personal nur |19| so wimmelte. Auf einer Bank lachte eine Krankenschwester mit einem jungen Mann in Jeans, eine Mutter schimpfte mit ihrem weinenden
     Kind, während ein Geschäftsmann eine lebhafte Diskussion am Handy führte. Als ich zum ersten Mal hier gewesen war, hatte ich
     den Kontrast zwischen den hinter dem Zaun versteckten Verwesungsprozessen und der geschäftigen Normalität davor schwer ertragen.
     Jetzt nahm ich ihn kaum noch wahr.
    Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles.
    Ich trabte eine Treppe hoch und ging dann den Weg entlang, der zur Cafeteria führte. Zufrieden bemerkte ich, dass ich kaum
     außer Atem war. Nach einer Weile hörte ich hinter mir heraneilende Schritte.
    «Hey, David, warte!»
    Ich drehte mich um und sah einen Mann auf mich zukommen, der ungefähr so alt und so groß war wie ich. Paul Avery war einer
     der neuen Hoffnungsträger des Instituts und wurde bereits als Toms Nachfolger gehandelt. Er war Spezialist für die menschliche
     Skelettbiologie, verfügte über ein enzyklopädisches Wissen und hatte die großen Hände und kräftigen Finger eines Chirurgen.
    «Gehst du zum Essen?», fragte er, während er neben mir langsamer wurde. Sein gelocktes Haar war beinahe pechschwarz, und auf
     seinem Kinn wuchsen dunkle Stoppeln. «Was dagegen, wenn ich dich begleite?»
    «Überhaupt nicht. Wie geht’s Sam?»
    «Gut. Sie hat sich heute Morgen mit Mary getroffen, um noch ein paar Babysachen zu besorgen. Bestimmt ist die Kreditkarte
     im Dauereinsatz.»
    Ich lächelte. Paul hatte ich vor dieser Reise nicht gekannt, aber sowohl er als auch seine schwangere Frau Sam hatten alles
     getan, damit ich mich hier wohl fühlte. Sie stand kurz vor |20| der Geburt ihres ersten Kindes, und während Paul sein Bestes gab, um gleichgültig zu wirken, unternahm Sam keinen Versuch,
     ihre Aufregung zu verbergen.
    «Gut, dass ich dich getroffen habe», sagte er. «Einer meiner Studenten hat sich verlobt, deswegen wollen wir heute Abend mit
     ein paar Leuten in die Stadt fahren, um zu feiern. Keine große Sache, nur etwas essen und ein paar Drinks. Hast du Lust, mitzukommen?»
    Ich zögerte. Ich wusste die Einladung zu schätzen, aber der Gedanke, mit Unbekannten auszugehen, behagte mir nicht.
    «Sam kommt mit und Alana
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