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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Farbrezeptoren unserer Netzhaut, die sogenannten L-, M- und S-Zapfen.
    Wie bei T-Shirt-Größen? L für Large, M für Medium, S für Small?
    So ähnlich. Die L-Zapfen reagieren auf lange Wellenlängen, die M-Zapfen auf mittlere, die S-Zapfen auf kurze. Bei der Rotwahrnehmung sind vor allem die L-Zapfen aktiv, da wir die Farbe »Rot« mit langwelligem Licht zwischen 600 und 750 Nanometern verknüpfen.
    Das heißt also, unser rotes Sofa ist in Wirklichkeit gar nicht rot, es absorbiert und reflektiert bloß bestimmte Lichtenergien?
    Exakt.
    Und dieser Vorgang wird dann von unserem Auge als Rotfärbung interpretiert?
    Nun, genau genommen erfolgt diese Interpretation nicht im Auge, sondern im Gehirn. Dort werden die elektrischen Signale, die der Sehnerv übermittelt, auf komplexe Weise weiterverarbeitet. So wird aus der biochemischen Messung von Wellenlängen die subjektive Empfindung »Rot« hervorgezaubert. Unser Gehirn gleicht dabei die neu ankommenden Reize mit bereits gespeicherten Informationen ab und unterlegt das Ganze mit entsprechenden Empfindungen. So erleben wir »Rot«, die Farbe des Feuers, als »warm« und »Blau«, die Farbe des Wassers, als »kalt«, was zur Folge hat, dass wir in blau angestrichenen Räumen eher frieren als in Räumen, die rot oder orange gestrichen sind.
    Ja, das habe ich auch schon mal gehört! Allerdings interessiert mich im Moment eine ganz andere Frage. Ich weiß aber nicht so recht, ob das hierhin passt …
    Nur keine Hemmungen!
    Also, im Physikunterricht haben wir gelernt, dass die Welt aus Atomen, Elektronen, Protonen und vielen anderen winzigen Teilchen besteht, deren Namen ich längst schon wieder vergessen habe. Egal! Diese Teilchen schwirren also auf ihren Bahnen herum und zwischen ihnen ist nichts als gähnende Leere. Dennoch erleben wir die Dinge, die aus diesen Teilchen und dieser Leere gebildet werden, zum Beispiel dieses Sofa, als feste Körper. Das scheint mir doch eine ziemlich ähnliche Illusion zu sein wie die Sache mit der Farbwahrnehmung, oder? Und das bringt mich auf eine Idee: Könnte man nicht sagen, dass das »Sofa an sich« dieses komische »Klitzekleine-Teilchen-schwirren-auf-ihren-Bahnen-wild-herum-Ding« ist, das die Physiker erforschen, während das »Sofa für uns« das feste, gemütliche Möbelstück ist, auf dem wir gerade sitzen?
    Interessante Frage. Es gibt eine Menge Naturwissenschaftler, die dir wohl zustimmen würden. Bei genauerer Betrachtung müssen wir aber einräumen, dass auch die Teilchen-Welt eine von uns (wenn auch über sehr komplexe Apparaturen) wahrgenommene Welt ist – sie ist also nicht die »Welt an sich«! Deshalb kann man eigentlich nicht davon sprechen, dass das »Klitzekleine-Teilchen-schwirren-auf-ihren-Bahnen-wild-herum-Sofa« das »Sofa an sich« ist.
    Schade! Das hatte für mich irgendwie logisch geklungen.
    Zumindest hast du mit deiner Frage auf etwas sehr Wichtiges hingewiesen: Denn ohne Zweifel ist unser Bild von der Welt durch die Erkenntnisse der modernen Wissenschaften sehr viel differenzierter geworden. Wir haben Einblicke in die Natur gewonnen, die die Grenzen unserer ursprünglichen ökologischen Nische weit überschreiten.
    Oha! Was soll denn das schon wieder heißen?
    Entschuldige, ich bin da wohl etwas vorangeeilt. Vielleicht kommen wir über einen Umweg besser zum Ziel: Was meinst du, warum Geparden so unglaublich schnell sind?
    Geparden? Nun, die haben sehr lange Beine, starke Beinmuskeln und riesige Lungen.
    Klar, aber warum ist das so?
    Geparden sind Raubtiere, die sehr flinke Beutetiere jagen. Wären sie nicht so schnell, wären sie längst ausgestorben.
    Richtig. Und warum haben Giraffen so lange Hälse?
    Weil sie darauf spezialisiert sind, sich von den Blättern der Baumkronen zu ernähren. Das verschafft ihnen einen Vorteil, da sie nicht mit kleineren Tieren um Nahrung konkurrieren müssen.
    Okay, und was heißt das nun für uns Menschen? Warum sehen wir die Röte reifer Himbeeren? Weshalb riechen und schmecken wir es, wenn eine Nahrung für uns verdorben ist? Und warum ist unser Gehirn so eifrig bemüht, Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen zu erkennen?
    Weil unsere Vorfahren dadurch ebenfalls Überlebensvorteile besaßen?
    Genauso ist es! Unser Wahrnehmungs- und Erkenntnisapparat ist im Überlebenswettbewerb der Evolution entstanden wie der lange Hals der Giraffe oder die flinken Beine des Geparden. Und er ist ebenso gut angepasst an eine spezifische ökologische Nische , nämlich unseren
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