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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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verfolgt. Er sagt sich nicht: »Mann, heute hätte ich aber wirklich große Lust, heiß zu werden!« Er tut einfach das, wozu er bestimmt ist. Basta! Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen mir und dem Föhn.
    In der Tat.
    Dennoch gibt es gute Gründe dafür, dass der Föhn genau so konstruiert wurde und nicht anders.
    Klar. Denn die Menschen, die den Föhn konstruierten, verfolgten damit einen Zweck.
    Das heißt also, es gibt einen Grund für die Existenz dieses dämlichen Föhns, aber keinen Grund für die Existenz der Menschheit?!! Das klingt ganz schön schräg!
    Ja, wenn man das so ausdrückt! Man kann es aber auch anders formulieren: Der Föhn unterliegt einem fremdbestimmten Zweck , da er von uns Menschen zur Erfüllung einer Aufgabe konstruiert wurde. Da wir selbst aber von niemandem konstruiert wurden, können wir über den Zweck, den Sinn unseres Daseins, selbst bestimmen . Wir Menschen sind also im Unterschied zum Föhn keinen fremden Zwecken unterworfen.
    Gut, ich gebe zu, dass das angenehmer klingt. Aber: Woher willst du denn so genau wissen, dass wir im Unterschied zum Föhn von niemandem konstruiert wurden und somit auch keinem fremden Zweck unterliegen?
    Ich will gar nicht behaupten, dass ich das so genau weiß. Aber es sprechen sehr viele Indizien für diese Annahme.
    Und welche Indizien sind das deiner Meinung nach?
    Wenn etwas zu einem bestimmten Zweck geschaffen wurde, dann weist es Eigenschaften auf, die diesen Zweck in irgendeiner Weise widerspiegeln. Der Föhn zum Beispiel besitzt exakt die Eigenschaften, die seiner vorgegebenen Funktion entsprechen. Aber gilt dies auch für das Universum oder für uns? Besitzen wir Eigenschaften, die die Annahme rechtfertigen, dass wir von irgendjemandem aus irgendeinem Grund erschaffen wurden? Ich meine: Nein! Doch um das zu erklären, müssten wir einen genaueren Blick auf die Natur der Dinge werfen.
    Klingt interessant. Aber lass uns dieses Thema auf morgen verschieben. Das war, wie ich finde, schon genug Input fürs Erste …
    • • • •
    »Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?« Mit dieser Frage (die Lea, ohne es zu wissen, fast wörtlich zitierte) eröffnete der deutsche Philosoph Martin Heidegger (1889–1976) seine berühmte Vorlesung »Einführung in die Metaphysik«. Heidegger war natürlich nicht der einzige Philosoph, der sich mit dem Problem des Seins und des Nichts beschäftigte. Zwei Jahrhunderte vor ihm hatte bereits ein anderer Denker, den viele heute wohl nur noch mit einem Butterkeks in Verbindung bringen, mit dieser dunklen Frage gerungen: Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716). Für den christlichen Universalgelehrten Leibniz war klar, dass nur »Gott« der Ur-Grund sein könne, dem wir unser aller Existenz zu verdanken haben.
    Ähnlich dachte auch der einflussreiche englische Theologe William Paley (1743–1805), der die sogenannte Uhrmacher-Analogie populär machte. Sein zentrales Argument war recht einfach gestrickt, klang aber überzeugend: Wenn wir eine funktionstüchtige Uhr im Wald finden, meinte Paley, so gehen wir ganz selbstverständlich davon aus, dass diese nicht zufällig entstanden ist, sondern von einem planvoll vorgehenden Uhrmacher hergestellt wurde. Nun ist eine Uhr weit weniger komplex als beispielsweise ein menschliches Auge. Müssten wir also, fragte Paley, angesichts der vielen komplexen Organismen in der Natur nicht ebenso selbstverständlich unterstellen, dass hier ein intelligenter Planer (nämlich »Gott«!) im Spiel war? Erst mit dem Buch »Über die Entstehung der Arten«, mit dem Charles Darwin (1809–1882) die moderne Evolutionstheorie begründete, wurde es möglich, das Uhrmacher-Argument wirksam zu entkräften. Wir werden später noch darauf zurückkommen.
    Die Herkunft unserer Spezies war vor Darwins bahnbrechenden Erkenntnissen rational kaum zu erklären. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen allerlei Schöpfungsmythen erfanden, um eine halbwegs plausible Antwort auf das Rätsel ihrer Existenz zu finden. Der Phantasie waren dabei keine Grenzen gesetzt: In der chinesischen Mythologie beispielsweise ging man davon aus, dass die Urmaterie die Gestalt eines Hühnereies hatte, das sich später in Himmel und Erde teilte. Die nordischen Völker hingegen erzählten sich die wundersame Geschichte des Urriesen Ymir, aus dessen grausig zerstückelten Körperteilen die Welt entstand. Juden, Christen und Muslime wiederum glaub(t)en (zum Teil bis zum heutigen Tag) an ein
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