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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Lebensraum als Menschen. Deshalb können wir Phänomene, die in unserer Nische ursprünglich nicht vorkamen, etwa Geschwindigkeiten über 100 Stundenkilometern, auch heute noch ganz schlecht abschätzen.
    Ja, das sage ich den Jungs auch immer, wenn sie hinter dem Lenker den »großen Macker« spielen wollen …
    Nun, die besondere Risikobereitschaft junger Männer ist auch so ein Erbe der Evolution – ich war da natürlich ganz anders!
    Ha! Ob ich das glauben soll? Da werde ich wohl Oma fragen müssen, hehe … Aber du wolltest doch eigentlich etwas ganz anderes sagen, oder?
    Stimmt! Worauf ich hinauswollte, war Folgendes: Wir haben gesehen, dass unser Erkenntnisapparat – wie der Hals der Giraffe – ein Produkt der natürlichen Evolution ist. Von daher ist er selbstverständlich gar nicht darauf ausgerichtet, die »Welt an sich« zu erfassen, er hat eine ganz andere Funktion …
    … nämlich unser Überleben zu sichern!
    Korrekt!
    Und bei diesem Ziel hätte es unseren Vorfahren sicherlich wenig geholfen, wenn sie statt einer Antilope einen »Klitzekleine-Teilchen-schwirren-auf-ihren-Bahnen-wild-herum-Tierkomplex« gesehen hätten, oder?
    Ja, ich vermute, das hätte Homo erectus doch ziemlich verwirrt.
    Ich hab noch eine Frage: Wenn unsere Sicht auf die Welt in der Evolution entstanden ist, so heißt das doch, dass andere Lebewesen die Welt möglicherweise auch ganz anders wahrnehmen, oder? Ist für eine Katze wie Charly das Sofa vielleicht gar nicht rot?
    Nun, für Charly dürfte das Sofa tatsächlich keine rote, sondern eine gelbe Farbe haben. Katzen besitzen nämlich nur zwei Zapfentypen, die langwelliges, rotes Licht nicht verarbeiten können. Das ist für sie als nachtaktive Räuber auch nicht von Bedeutung. Sie brauchen keine gute Farbwahrnehmung, sondern müssen im Dunkeln gut sehen können, um ihre Beute zu erjagen. Und auf diesem Gebiet sind sie uns tatsächlich haushoch überlegen.
    Aber es gibt doch auch Tiere, die Farben sehen, die wir gar nicht wahrnehmen können, oder täusche ich mich da?
    Nein, du hast recht: Viele Insekten, Vögel und Fische können im Unterschied zu uns ultraviolette Strahlung wahrnehmen. Daher sieht eine Blumenwiese für Bienen ganz anders aus als für uns. Außerdem verfügen manche Tiere über Sinne, die uns völlig fremd sind: Zugvögel beispielsweise orientieren sich am Magnetfeld der Erde, Fledermäuse können in völliger Dunkelheit fliegen, da sie Ultraschallwellen senden und empfangen. Sie »sehen« gewissermaßen mit ihren Ohren.
    Dazu habe ich mal eine spannende Doku gesehen! Ich frage mich, wie das wohl ist, eine Fledermaus zu sein? Können wir uns das überhaupt vorstellen?
    Interessant, dass du das fragst! Denn genau dazu hat der amerikanische Philosoph Thomas Nagel in den 1970er-Jahren einen sehr einflussreichen Artikel geschrieben. Nagel meinte, dass wir, selbst wenn wir alles über Fledermäuse wissen sollten, immer noch nicht wüssten, wie es sich anfühlt, die Welt mit den Sinnen einer Fledermaus wahrzunehmen. Zwischen unserer Außenwahrnehmung und der Innenwahrnehmung eines Lebewesens besteht eine große Kluft.
    Das klingt für mich logisch, aber gilt das denn nur für unser Verhältnis zu Fledermäusen? Es ist doch unter uns Menschen gar nicht so viel anders, oder? Ich meine: Ich sehe dich, ich rede mit dir, und wenn ich eine Hirnforscherin wäre, dann könnte ich vielleicht auch noch erkennen, was während des Gesprächs in deinem Gehirn abläuft. Aber: Ich würde doch trotzdem niemals wissen, wie es sich anfühlt, du zu sein. Ebenso wenig, wie du wissen kannst, wie es sich anfühlt, ich zu sein.
    Richtig. Die Qualität unseres eigenen, inneren Erlebens – die Philosophen sprechen hier von »Qualia« – ist nur uns selbst zugänglich. Wenn wir mit anderen Menschen mitleiden oder uns mit ihnen mitfreuen, so beruht dies auf einer – zweifellos nützlichen – Projektion: Wir stellen uns vor, wie wir uns fühlen würden, wenn wir uns in ihrer Lage befänden. Damit werden wir wahrscheinlich nicht völlig danebenliegen, da wir derselben Spezies angehören. Dennoch können wir niemals erfahren, wie es sich wirklich anfühlt, jemand anderes zu sein, als der, der wir sind.
    Aus unserer eigenen Haut kommen wir einfach nicht heraus!
    Ja, hier stoßen wir auf eine Grenze der Erkenntnis , die wir wohl nie überwinden werden …
    • • • •
    Ob die Dinge wirklich so sind, wie sie uns erscheinen? Das interessierte den griechischen Philosophen Platon
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