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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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seiner Berufung folgt. Solange ich schreibe, rühre ich keinen Alkohol an, aber um mich vom Schreiben zu erholen, brauche ich einen soliden Rausch.
    Ich war nicht in der Küche, als Rane den Hammer auf Vaters Kopf niedersausen ließ, weil ich gerade zu Hartikainen wollte, um Schwarzgebrannten zu holen. Der Polizei habe ich das verschwiegen, um Hartikainen nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Stattdessen habe ich behauptet, ich wäre draußen auf dem Abtritt gewesen, obwohl wir auch im Haus eine Toilette hatten. Die Polizisten waren ziemlich misstrauisch, weil keine Fingerabdrücke am Hammer waren. Da Rane kein Geständnis ablegte, blühte der Klatsch, und als Rane sich dann umbrachte, bedauerten seine Exfreundinnen den armen Jungen, der unschuldig ins Gefängnis geraten war.
    Vor fast zwanzig Jahren, als mein erstes Buch erschien, erhob das Lokalblatt ein großes Geschrei, weil in dem Roman ein Mann vorkommt, der seinen Vater umbringt. Der Reporter glaubte offenbar, er hätte eine kriminalgeschichtlich wichtige Entdeckung gemacht. Mir war der Skandal nur recht, denn das Buch verkaufte sich dadurch umso besser. Zu meinem letzten Roman meinte irgendein Kritiker, bei Liimatainen ginge es wieder mal um symbolischen Vatermord, und grub die alte Geschichte aus. Ich habe die Sache mit keinem Wort kommen-tiert. Was gibt es da auch zu erklären.

    Mutter war eine Frau vom alten Schlag, sie hat nicht jede Gefühlsregung, ob bei sich oder bei anderen, zugrunde analysiert. Ihr genügte Jesus, sie hatte es nicht nötig, von den Märchenprinzessinnen im Fernsehen zu träumen wie die Frauen von heute. Sirkka weiß über das schwedische Königshaus mehr als über das Leben ihrer Kinder. Sara zerredet jede Tat und jeden Satz, aber sie kennt nicht einmal sich selbst. Ich bilde mir ein, scharfsichtiger zu sein als meine Schwestern.
    Als die beiden abfuhren, blieb ich noch eine Weile allein im Haus, dann schloss ich ab und brachte Korpelainen die Schlüssel. Ich hatte eingepackt, was ich aus meinem Elternhaus mitnehmen wollte. Die Flickenteppiche, das Beil und die altmodische Bügelsäge hatte ich Sirkka ins Auto gelegt. So brauchte ich im Koffer nur ein Buch zu tragen, »Amalia« von Sylvi Kekkonen, von der Autorin signiert. Nicht gerade ein bedeutendes Werk, aber Mutter hing daran. Außer diesem einen Buch, und natürlich meinen Werken, besaß sie nicht viele Romane. Den »Unbekannten Soldaten« und ein paar andere.
    Sirkka meinte, sie würde sie der Bibliothek in Pielavesi schenken.
    Meine Rückfahrt an die Küste dauerte lange: zuerst mit dem Bus vom Kirchdorf nach Kuopio, von da mit dem Zug nach Helsinki, dann wieder mit dem Bus bis zu der Straße, die zu meinem Haus führt. Dort stand mein Fahrrad wohlbehalten im Gebüsch. Danach brauchte ich ein paar Tage, um mich von der Beerdigung zu erholen. Ich mag es nicht, wenn mir zu viele Gedanken durch den Kopf gehen. Clasu wollte mich überreden, mit ihm auf die Entenjagd zu gehen, aber ich war nicht in der Stimmung. Da mir nichts Besseres einfiel, reparierte ich die Saunatür. Anschließend sammelte ich Pfifferlinge und entdeckte dabei die ersten Giftreizker.
    Heute Morgen hat es endlich aufgeklart. Nun sehe ich, dass sich die Landschaft verändert hat: Clasu hat mitten ins gelbe Stoppelfeld einen braunen Streifen gepflügt. Ich würde ihn gern fragen, ob er unter die Environmentkünstler gegangen ist. Ich habe den braunen Strich den ganzen Tag angestarrt. Ist es ein Weg oder eine Wunde? Mir fällt absolut kein Grund ein, weshalb man nur einen Teil des Ackers pflügen sollte. Clasu würde mir die Wahrheit sagen, wenn ich ihn frage, also lasse ich es sein. Ich hatte immer schon ein Faible für geschickte Lügner, für solche wie Eero Tiainen. Der konnte zwar nicht so gut lügen, dass ich ihm Geld geliehen hätte, aber immerhin hat er es geschafft, sich in Sirkkas Bett und in die Familie Liimatainen zu schwindeln. Er hat es länger bei Sirkka ausgehalten, als ich erwartet hatte, volle fünf Jahre. Als ich zur Buchmesse in Göteborg war, habe ich im Telefonbuch nachgeschlagen. Dort stand Tiainen, Eero und Angela. Ich habe ihn aber nicht angerufen und auch Sirkka nichts davon erzählt.
    Einmal habe ich Rane im Gefängnis besucht. Den Besuch hätte ich mir lieber ersparen sollen, denn Rane war damals schon durcheinander. Im Schlaf verfolgt mich sein Blick noch immer. Bei seiner Beerdigung waren nur der Pfarrer und die engsten Verwandten anwesend, aber im Laden hatte eine Kundin zu Mutter
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