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Legion der Morgenroete

Legion der Morgenroete

Titel: Legion der Morgenroete
Autoren: Michael Moorcock
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Haß auf Hawkmoon und Euer Begehren für Yisselda von Brass, das ist Dissens. Wir haben nur Euer Wohl im Auge, Baron, denn wenn Ihr so weitermacht, zwingt Ihr Uns, einen anderen an Euerer Stelle zu ernennen und Euch von Unserem Dienst zu dispensieren - Euch vielleicht sogar aus Eurem Orden auszuschließen."
    Instinktiv fuhren Baron Meliadus' behandschuhte Hände angstvoll zu seiner Maske hoch. Demaskiert zu werden! Die schlimmste Erniedrigung, die man sich vorstellen konnte! Denn das war das, was die Warnung bedeutete. Sich dem tiefsten Abschaum der Bürger in Londra anschließen zu müssen - der Kaste der Unmaskierten!
    Schließlich gelang es ihm, zu murmeln: „Ich werde Eure Worte beherzigen, allmächtiger Herrscher."
    „Tut das, Baron Meliadus. Wir würden einen so verdienten Eroberer nicht gern einiger unüberlegter Gedanken wegen in Unehren sehen. Wenn Ihr Unsere Gunst zurückgewinnen wollt, so stellt die Art und Weise fest, auf die die Gesandten von Asiakommunista uns verließen."
    Baron Meliadus ließ sich auf die Knie fallen, seine Wolfsmaske nickte, und er streckte die Arme weit aus. So verabschiedete er sich unterwürfig von seinem Herrn, den Reichskönig. Aber in seinem Kopf wirbelten rebellische Gedanken, und er konnte dem Geist seines Ordens nur dankbar sein, daß die Maske sein wutentbranntes Gesicht verbarg.
    Rückwärts zog er sich von der Thronkugel zurück. Die schwarzen spöttischen Augen des Reichskönigs blickten ihm nach. Dann schoß Huons Zunge aus dem Mund und berührte einen Edelstein, der in der Nähe seines runzligen Schädels schwamm. Die milchige Flüssigkeit wirbelte erneut auf, funkelte in allen Regenbogenfarben und wurde allmählich wieder zu einem tiefen Schwarz.
    Meliadus drehte sich um. Er schritt den langen Weg zurück zu der riesigen Tür und durch die Korridore des labyrinthartigen Palasts. Er beabsichtigte, die Gräfin Flana Mikosevaar von Kanbery aufzusuchen, die Witwe Asrovak Mikosevaars, des muskovischen Renegaten, der einst das Haupt der Geier gewesen war. Gräfin Flana war durch seinen Tod die nominelle Führerin der Geierlegion, aber mehr noch, sie war auch die Kusine des Reichskönigs -seine einzige noch lebende Verwandte.

2. GRÄFIN FLANAS GEDANKEN
    Die Reihermaske aus Goldfiligran lag neben Gräfin Flana auf dem Tischchen, als sie durch das Fenster über die scheinbar einem Alptraum entsprungenen Türme von Londra blickte. Ihr bleiches schönes Gesicht wirkte melancholisch und nachdenklich. Die untergehende Sonne spiegelte sich auf der Seide ihres wallenden Gewandes und ließ die Juwelen glitzern, als sie zu einem Schrank schritt und ihn öffnete. Seltsame Kostüme befanden sich seit dem Tag darin, da ihre beiden Besucher sie vor so vielen Wochen schon verlassen hatten. Es war die Verkleidung, die Hawkmoon und d'Averc als angebliche Prinzen von Asiakommunista benutzt hatten. Nun fragte sie sich, wo die beiden wohl sein mochten - vor allem d'Averc, von dem sie wußte, daß er sie liebte.
    Flana, Gräfin von Kanbery, hatte ein Dutzend Ehemänner und noch mehr Liebhaber gehabt und sich ihrer wieder entledigt, so wie eine Frau ein Paar zerrissene Strümpfe wegwerfen mag. Nie hatte sie die Liebe gekannt, nie echte Gefühle.
    Aber irgendwie war es d'Averc, dem ein wenig dandyhaften Renegaten, der ständig über seine angegriffene Gesundheit klagte, gelungen, diese Gefühle in ihr zu erwecken. Vielleicht war sie zuvor so unberührt geblieben, weil sie im Gegensatz zu ihrer Umgebung geistig normal war, weil sie sanftmütig und der selbstlosen Liebe fähig war, während die Lords des Dunklen Imperiums solche Gefühle nicht verstanden. Vielleicht hatte der sensitive und rücksichtsvolle d'Averc sie aus ihrer Apathie geweckt, einer Apathie, die nicht von einem Mangel an Seele herrührte, sondern von einer Größe der Seele - einer Größe, die ihre Existenz in einer Welt des Wahnsinns, der Selbstsucht und Abartigkeit, wie die auf dem Hof des Reichskönigs Huon, nicht ertrug.
    Doch nun, da Gräfin Flana erwacht war, konnte sie den Horror ihrer Umgebung nicht mehr ignorieren, und die Angst quälte sie, daß ihr Geliebter einer einzigen Nacht nie mehr zurückkehren würde, daß er vielleicht schon tot war.
    Sie hatte sich in ihre Gemächer zurückgezogen und mied Gesellschaft. So hatte sie zwar ihre Ruhe, aber auch zuviel Gelegenheit, sich ihrem Kummer hinzugeben.
    Dicke Tränen rollten Gräfin Flanas Wangen herab, als eine ihrer Zofen ihr Baron Meliadus meldete. Sie zog sich ihre
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