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Leg los alter Sack

Leg los alter Sack

Titel: Leg los alter Sack
Autoren: Kester Schlenz
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Jammern und Greinen und fühlte mich in meiner Haut nicht wohl.
    Ein Freund von mir – ein Psychologe, der mich gut kennt – sah mir eines Tages, als wir beim Bier zusammensaßen und ich wieder am Stöhnen war, lange in die Augen und sagte: »Ich gebe dir jetzt ganz umsonst einen therapeutischen Tipp: Du musst dich mehr bewegen. Hast du jemals etwas vom Runners High gehört, diesem unglaublichen Glücksgefühl, das man haben kann, wenn man läuft und läuft und läuft? Dahin musst du kommen, einfach alles sausen lassen in Gedanken und nur ans Laufen denken beziehungsweise an gar nichts denken. Laufen als Meditation und körperliche Ertüchtigung. Das machst du jetzt, und ich sage dir ganz konkret, wie es geht:
    Du stehst morgens auf, ziehst dir deine Turnschuhe an und läufst einmal so lange, wie du kannst, und das machst du dann zwei oder drei Wochen lang jeden Tag, immer diese Strecke bis zu dem Punkt, wo du nicht mehr konntest.
    Du wirst sehen, es geht ziemlich schnell voran.«

    Ich ließ diesen, wie ich fand, etwas absurden Gedanken, jeden Morgen nach dem Aufstehen loszurennen, erst einmal sacken, aber irgendwie hatte er mir diese Idee eingepflanzt.
    Tja, und in unserem kurz darauf folgenden Urlaub auf Bornholm probierte ich es einfach aus. Ich kaufte mir Joggingschuhe, stand eines Morgens auf, als die anderen noch schliefen, zog Turnschuhe, Jogginghose und ein T-Shirt an, trat auf die Terrasse, setzte eine Kappe auf, damit die dänische Sonne mir nicht die Fleischmütze verbrutzelte – und rannte los. Schon nach einem Kilometer etwa wurde ich kurzatmig, aber ich machte weiter, denn die Aufgabe war ja eindeutig. Mein Psychotrainer hatte gesagt, so lange, bis ich nicht mehr konnte – und so weit war es noch längst nicht. Ich lief am Strand lang, und, ich glaube, nach etwa vier Kilometern war ich total fertig, am Ende, ließ mich in den Sand fallen, japste und hechelte und stöhnte: »Dies ist der Punkt.« Ich prägte mir die Topographie des Ortes ein: ein Strandkiosk, eine Fahne, ein grüner Strandkorb, bis hierhin musste ich es schaffen, jeden Morgen. Was für eine Aufgabe! Schon am zweiten Morgen war ich mir nicht so sicher, ob es nicht reichen würde, es alle zwei Tage zu versuchen, aber meine Frau hatte von diesem Plan erfahren und ließ nicht locker.
    Noch im Halbschlaf raunte sie mir zärtlich zu: »Lauf, du Sack.«
    Und ich tat, wie mir geheißen, drei Wochen lang, jeden Morgen. Und was soll ich Ihnen sagen? Es war tatsächlich erstaunlich und wunderbar, wie schnell ich an Ausdauer und Kraft gewann. Schon nach vier, fünf Tagen war ich nicht annähernd mehr so fertig wie am Anfang, kam nicht schweißnass und japsend in unserem Ferienhaus an, sondern lediglich mit erhöhtem Herzschlag und klopfendem Puls, aber durchaus in der Lage, drei zusammenhängende Sätze zu sprechen. Mit anderen Worten: Ich wurde fitter. Und ich zog die Sache durch, jeden Tag.

    Dieser Laufurlaub war die Keimzelle meiner Existenz als Läufer. Seit zwölf Jahren laufe ich jetzt regelmäßig. Am Anfang noch fünf Tage die Woche jeden Morgen. Und jetzt – weil ich finde, dass das ein ganz gutes Mittelmaß ist – dreimal die Woche morgens, jedes Mal eine halbe Stunde.
    Und dazu schwimme ich zweimal die Woche. Das ist, finde ich, ein perfektes Alter-Sack-Fitness-Programm.
    Man könnte jetzt stundenlang darüber streiten, was für eine technische Ausrüstung die richtige fürs Laufen ist. Auf alle Fälle braucht man gute Joggingschuhe. Aber da gibt es etwa jedes Jahr neue wissenschaftliche bahnbrechende medizinische Erkenntnisse. Eine Zeit lang konnten die Dämpfungen gar nicht groß genug sein, und man hatte schon fast das Gefühl, dass man auf hochhackigen Pornoschuhen läuft. Jetzt ist die Dämpfung so ein bisschen out. Und dann gibt es auch noch den Barfußschuh und was weiß ich noch. Es muss jeder selber rauskriegen, was ihm da am besten bekommt. Wenn man in ein recht gutes Sportgeschäft geht, kriegt man auf jeden Fall Schuhe, die besser sind als ganz normale Turnlatschen, mit denen man sonst früher in der Schulhalle rumhüpfte.

    Grundsätzlich gilt: Ich fühle mich eigentlich jedes Mal nach dem Laufen besser, obwohl es – das muss ich schon zugeben – immer noch ein Angang ist, morgens aufzustehen und loszulegen. Man kann es ja auch anders machen und abends laufen, was für mich nicht in Frage kommt, denn abends will ich mit meiner Familie essen und Feierabend haben. Außerdem erlebt man gerade im Sommer in der Frühe
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