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Leg los alter Sack

Leg los alter Sack

Titel: Leg los alter Sack
Autoren: Kester Schlenz
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habe einen umgelegt.«

Der Arnold in mir
    MEINE ODYSSEE DURCH DIE MUCKIBUDEN
    Ich muss es in aller Offenheit zugeben, ich bin ein eher mickriger alter Sack. Ich war schon immer eher schmal, und bis heute kriege ich bei uns in der Kantine im Verlag von besorgten Damen noch einen Schlag Labskaus drauf, augenzwinkernd gereicht mit den Worten: »Sie können es gebrauchen.« Nun gibt es ja kleine und schmale Männer, die im Laufe der Versackung ihres Lebens dann doch ein wenig zunehmen und – wie auch immer – an Statur gewinnen. Ich blieb bis auf eine kleine Pocke weitgehend schmächtig. Deshalb habe ich schon mit ungefähr 40 Jahren angefangen, etwas für meine nicht sonderlich ausgeprägte Muskulatur zu tun. Hinzu kam, dass mir ständig Orthopäden rieten, meine Rückenschmerzen würden besser werden, wenn ich Muskeln aufbauen würde. Also habe ich das versucht, und ich kann sagen, es war eine wahre Odyssee durch sämtliche Arten von Muckibuden, die in diesem Land zur Verfügung stehen. Nur vor Anabolika und ähnlichem Zeug bin ich zurückgeschreckt.
    Ich habe ganz klein angefangen bei einem Turn- und Sport-Verein in der Mitte Hamburgs. Da wurde ich Mitglied, hab mich für den Kraftraum eingetragen und einfach losgelegt. Der Raum unten im Keller war relativ klein. Da standen so ein paar Geräte, und schon als ich das erste Mal runter ging, schlug mir dieser einmalige Duft von Schweiß, Metall und Shampoo entgegen.

    Ich hörte Grunzen und Stöhnen aus dem Raum und das Krachen von Gewichten, die in die Ausgangsposition zurückschlugen.
    Ein kräftiger Typ in Jogginghose und weißem T-Shirt begrüßte mich: unser Trainer. Ich stellte mich als neues Mitglied vor. Er blickte sorgenvoll an mir herunter und sagte: »Dann wählen wir mal das niedrigste Gewicht, wollen uns ja nicht gleich übernehmen.« Ich habe ihm nicht widersprochen, größere hätte ich wahrscheinlich auch gar nicht hochgekriegt. Die anderen Typen, die an diesem Tag da waren und an den Maschinen schwitzten, sahen meiner Ansicht nach so aus, als ob sie diese Muckibude gar nicht nötig hätten, denn sie hatten schon veritable Muskelstränge an Oberarmen und Oberschenkeln, wollten aber offenkundig noch mehr. Ich kam mir echt blöd vor. Doch der Trainer machte seinen Job ganz ordentlich, fragte mich aus, überprüfte meine Muskulatur und erklärte mir erst mal die einfachen Sachen für Oberschenkel, Rücken, Oberarme etc.

    Das Ganze wirkte zwar wie eine Anabolikabude vom Kiez, war aber im Grunde eine ganz solide Veranstaltung, wenn auch etwas karg eingerichtet, die Geräte nicht auf dem neuesten Stand, aber – ehrlich gesagt –, um Muckis aufzubauen, muss es vielleicht auch nicht immer das Neueste sein. Auf die Konsequenz des Übenden kommt es an. Die aber, das merkte ich schnell, fehlte mir. Immerhin zehnmal habe ich es geschafft da hinzugehen und einmal habe ich auch einen Kumpel mitgenommen. Das war interessant, der wog ungefähr das Doppelte von mir und war auch viel kräftiger, aber gänzlich untrainiert. Der machte mit mir die Einheiten durch, die ich absolvierte, und fing nach der fünften an zu hyperventilieren. Er musste sich hinsetzen, kriegte Schweißausbrüche und ist fast umgekippt, was mich ein wenig stolz gemacht hat. Dennoch fiel mir der Weg runter in den Keller dieses Sportvereins nach und nach immer schwerer.
    Es war verdammt monoton, an diesen Geräten zu arbeiten.
    Die Duschen waren so ein bisschen versifft, und insgesamt merkte ich, dass ich mich einfach zu sehr überwinden musste, da hinzugehen. Darüber hinaus lässt der Erfolg, anders als beim Laufen, bei diesen Muckibuden ja ein bisschen auf sich warten.
    Ich erzählte meiner Frau von meinen Vorbehalten und meinem Unwohlsein in diesem etwas archaischen, verschwitzten Raum, und sie sagte mir: »Mein alter Sack, wenn es um deinen Körper geht, sollte dir nichts zu teuer sein, also geh doch mal in eins von diesen schicken Sportstudios. Da gibt es ganzheitliche Programme, da wirst du durchgecheckt, und da läuft Musik im Hintergrund. Vielleicht gefällt dir das ja. Für mich wäre das nichts, aber du brauchst anscheinend ein bisschen was Stylisches, um dich wohl zu fühlen.« Der Sache ging ich nach: Ich wurde Mitglied in einem schicken, teuren Sportstudio. Aber da – das sei gleich vorweggeschickt – fühlte ich mich noch unwohler. Alles war modern, hübsch, Musik spielte, und es waren »beautiful people« da, Männer und Frauen in teurem Sportdress, die an der Bar saßen,
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