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Leg los alter Sack

Leg los alter Sack

Titel: Leg los alter Sack
Autoren: Kester Schlenz
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ratlos und hätte mich mitten in der Ausklapp-Orgie
nicht mehr gewundert, wenn plötzlich auch noch eine Sitzbadewanne, eine Dachrinne und Oliver Pocher zum Vorschein gekommen wären. Ein ehrgeiziges Werkzeug, aber für einen Laien wie mich eine Spur überfrachtet.
    DER LEUCHTKULI
    »Wenn man unter der Decke einen Liebesbrief schreiben will, hat man normalerweise keine Hand für die Taschenlampe frei.« Mit diesen, in meinen Augen äußerst anzüglichen Zeilen wirbt der Versender der »Four-Seasons-Leuchtkulis« für sein Produkt. Ich verstehe das nicht. Warum kann ich nicht mit der einen Hand einen Brief schreiben und mit der anderen die Taschenlampe halten? Was denken die total versexten Damen und Herren vom Globetrotter-Versand, was der Outdoor-Lover während des Schreibens mit der anderen Hand unter der Decke macht? Und wieso überhaupt Decke? Es geht doch um Urlaub in der rauen Wildnis. Schreibt der Traveller da nicht im nachtschwarzen Zelt Liebesbriefe im Schlafsack ? Sei’s drum. Die »Four-Seasons-Leuchtkulis« lösen in jedem Fall das Problem des Schreibens bei Dunkelheit, denn sie leuchten auf Knopfdruck am Stiftende. Wahlweise in Blau oder Rot. Ich kenne das, denn ich war mal Kinokritiker, und die Oberschlauen unter den Kollegen hatten solche Kulis, um sich schon während des Filmes wichtige Notizen wie etwa »experimentelle Kameraführung« oder »verstörende Dramaturgie« zu machen. Ich lehne solche Leuchtkulis deshalb als prätentiös ab. Schlafen Sie lieber des Nachts in Ihrem Outdoor-Urlaub. Schreiben können Sie auch tagsüber – falls Sie eine Hand frei haben.

Are you talking to me?
    ALS ICH VERSUCHTE, KAMPFSPORT ZU ERLERNEN
    Ich habe einen alten Kumpel. Nennen wir ihn aus Datenschutzgründen Tasche. Tasche ist in den 50ern wie ich und mittlerweile zur Ruhe gekommen. Aber so vor 30 Jahren … ich kann Ihnen sagen: Da war Tasche ein ganz Wilder. Tasche ist nicht groß, aber kräftig und schnell. Zumindest früher war er das.
    Und wer ihm dumm kam, kriegte eine gelangt.
    Die meisten in unserer Gegend hatten Schiss vor ihm. Ich selber habe mich praktisch nie geprügelt und bin auch nie verprügelt worden. Vielleicht auch deswegen, weil ich Tasche gut kannte. Mit Tasche legte sich keiner an. Ein bisschen war es damals so wie im Wilden Westen. Tasche war ein Mythos. »Hast du schon gehört? Tasche hat in der S-Bahn drei Rocker lang gemacht? Tasche soll gestern in der Disse einen Typen umgehauen haben, der doppelt so groß war. Tasche hat sich im Suff mit zehn Dänen angelegt.« So was halt. Tasche ist das alles heute ein bisschen unangenehm. Es sei ohnehin nur die Hälfte wahr von dem, was man sich so erzählt. Und sein Nimbus fuße vor allem darauf, dass er die wildesten Geschichten nie dementiert, sondern stets nur vielsagend gegrinst habe. Dennoch: Tasche konnte sich verdammt gut prügeln. Ich habe das, ich muss es hier zugeben, damals immer bewundert, weil ich selber in diesem Geschäft nicht besonders gut bin. Ich habe mich nie geschlagen, hätte es aber in der einen oder anderen Situation durchaus gern mal gemacht. Vor vielen Jahren habe ich Tasche mal gefragt, wie er denn an diese Sache so rangehe, um was zu lernen. Er sah mich an, seufzte und sagte:

    »Das Wichtigste, Mann, ist, dass du die Sache zügig angehst.
    Die meisten Typen labern zu viel rum, sie brauchen erst mal ein bisschen, um sich in die richtige Stimmung zu bringen. Sie beleidigen, sie drohen, sie rempeln, sie schubsen, und wenn du dich wehrst, gibt’s was auf die Augen. So wird das nichts. Vergiss die ganzen blöden Rituale. Wenn du merkst, dass es richtig Ärger geben könnte, haudem anderen sofort ohne Vorwarnung eine rein. Und dann noch eine hinterher, zur Sicherheit. Dann kann geredet werden, falls es noch Gesprächsbedarf gibt.«

    Ich schwieg. Also so ging das. Und ich wusste, das könnte ich nie. Einfach so zuhauen. Lehne ich auch irgendwie ab. Dennoch gab es immer mal wieder Situationen, wo ich gern etwas »taschiger« gewesen wäre. Egal, die körperliche Auseinandersetzung war und ist nicht mein Ding.
    Ich war auch ohne Klopperei in Würde zum alten Sack herangereift, kämpfte einigermaßen erfolgreich mit Worten und sah, dass auch Tasche friedlicher wurde und Ärger zunehmend aus dem Weg ging.
    Ja, meine Damen und Herren, Gewalt ist keine Lösung.
    Aber dann lernte ich in einem Urlaub Thorsten kennen. Ein drahtiger Kerl. Manager. Sehr nett. Und Schwarzgurtträger in Karate. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und
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