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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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uns zufällig in einem Kaffeeladen über den Weg gelaufen, wo sie Kaffeebohnen aus fairem Anbau gekauft hatte und ich den Espresso aus dem Sonderangebot. Sie hatte mir ihre Visitenkarte in die Hand gedrückt und gemeint, wir müssten unbedingt mal telefonieren. Anscheinend fand sie, dass es jetzt an der Zeit war.
    »Hallo Ines«, sagte ich, um Höflichkeit bemüht. »Geht es dir gut?«
    »Sehr gut. Ganz wundervoll, um genau zu sein!« Das klang so fröhlich und aufgeräumt, dass es nur die Wahrheit sein konnte. Schon in der Schulzeit war sie immer penetrant gut drauf gewesen, was vermutlich daran lag, dass sie allen Grund dazu hatte. Sie sah toll aus, hatte den besten Notenschnitt, den attraktivsten Freund, als Erste ein eigenes Auto und einen Beliebtheitsgrad bei den Lehrern, der durch nichts zu toppen war. Natürlich war sie auch beruflich in die Oberliga aufgestiegen, sie war promovierte Juristin und leitete mittlerweile eine der größten Anwaltskanzleien der Stadt. Außerdem war sie Schirmherrin von diversen Charity-Organisationen, immer noch mit demselben adligen Mann verheiratet (laut Ines war er weitläufig mit dem englischen Königshaus verwandt) und Mutter von Überflieger-Zwillingstöchtern, die beide eine Klasse übersprungen hatten und bereits für ein Auslandssemester in Oxford angemeldet waren. Das war jedenfalls der Stand der Dinge gewesen, als ich sie vor zwei Jahren das letzte Mal gesehen hatte.
    »Ich hoffe, es geht dir auch gut«, fuhr Ines fort.
    »Danke, ich kann nicht klagen.«
    »Das hört man gern. Ich habe nämlich ein Attentat auf dich vor.« Sie lachte, es klang ausgesprochen vergnügt und richtiggehend ansteckend, beinahe hätte ich sogar mitgelacht, wenn nicht der Wagen vor mir so abrupt und ohne ersichtlichen Grund gebremst hätte. Ich konnte gerade noch mit quietschenden Reifen halten. Um ein Haar wäre ich aufgefahren, es fehlten bloß Zentimeter. Was für ein Blödmann!
    »Idiot«, murmelte ich.
    »Was?«
    »Nicht du«, sagte ich.
    »Ach so. Ja, also, weshalb ich anrufe … Weißt du, was nächstes Jahr für ein Jubiläum ist?«
    »Deine silberne Hochzeit?«, riet ich.
    Sie lachte noch lauter. »Der war gut! Da wäre ich selbst gar nicht draufgekommen! Dabei müsstest du eigentlich wissen, dass ich erst nach dir geheiratet habe. Ist zwar schon lange her, aber bestimmt erinnerst du dich noch, schließlich hatte ich die ganze Klasse eingeladen. Dich auch.«
    Ich glaubte, ein vorwurfsvolles Obwohl ich zu deiner Hochzeit ja leider nicht eingeladen war herauszuhören, und sagte nichts.
    »Nein, unsere Silberne hat noch etwas Zeit«, fuhr sie gut gelaunt fort. »Aber es geht trotzdem um ein 25-jähriges Jubiläum. Na, rätst du es jetzt?«
    »Oh nein«, stöhnte ich. Der Blödmann aus dem Wagen vor mir war ausgestiegen und kam auf mich zu. Er klappte ein Mäppchen auf und hielt es vor die Scheibe, damit ich sehen konnte, was sich darin befand. Eine Dienstmarke der Kripo.
    »Doch«, sagte Ines fröhlich. »Fünfundzwanzig Jahre Abitur! Ist das nicht toll?«
    »Ach du Schande«, sagte ich betreten, als der Typ draußen eine kurbelnde Bewegung machte. Er wollte, dass ich die Scheibe runterließ.
    »Eigentlich ist es ein Grund zum Freuen«, sagte Ines. »Und zum Feiern. Genau deswegen rufe ich ja auch an. Weil du nämlich diejenige bist, mit der ich noch den meisten Kontakt …«
    »Ich muss aufhören«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Hier will mich gerade jemand dringend sprechen.« Hastig trennte ich die Verbindung, stellte das Handy auf lautlos und stopfte es zurück in die Tasche. Dann öffnete ich notgedrungen die Tür. Die Elektronik zum Öffnen der Scheibe funktionierte schon lange nicht mehr.
    Ich lächelte verbindlich. Vielleicht hatte er sich nur verfahren und wollte nach dem Weg fragen. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte. Und dann bitte einmal rechts ranfahren.«
    Ich wühlte wie besessen in meiner Handtasche herum. »Ich habe sie hier irgendwo, das weiß ich genau.«
    »Fahren Sie zuerst rechts ran und suchen Sie dann weiter.«
    Ich tat es widerwillig, während der Typ am Straßenrand wartete, beide Hände in den Hosentaschen. Er sah mürrisch drein, gerade so, als bräuchte er dringend jemanden, an dem er seine schlechte Laune auslassen konnte.
    Wo war der vermaledeite Fahrzeugschein? Er musste irgendwo in der Handtasche sein, in einem kleinen schwarzen Ledermäppchen, da war ich ganz sicher. Was man von dem Führerschein leider nicht sagen
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