Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
wirklich?«
    Timo nickte entschieden. »Am allermeisten liebe ich die Chantal.«
    Chantal war die Tochter von Janin (Janin ohne e ), der Friseurin, zu der wir immer gingen. Sie – nicht Chantal, sondern Janin ohne e – hatte jede Menge Tattoos und ungefähr drei Dutzend Piercings, und das waren nur die, die man sehen konnte. Janins Freund Olaf, der allerdings nicht Chantals Vater war, verprügelte Janin regelmäßig, und einmal hätte er auch mich fast verprügelt, als er zufällig im Hinterzimmer des Friseurladens gesessen und mitgekriegt hatte, wie ich Janin die Anschrift vom Frauenhaus geben wollte, nachdem ich ihr zugeschwollenes Auge bemerkt hatte.
    »Ey, die braucht die Schläge! Alle Frauen brauchen das ab und zu«, hatte er mir erklärt und dazu beweiskräftig die Fäuste geballt. Ich war zum Glück sowieso gerade auf dem Weg nach draußen gewesen. Später hatte ich im Laden angerufen und Janin doch noch die Adresse durchgegeben. Sie hatte mir unaufgefordert geschworen, dass ihr Freund nicht die Kleine schlug; sie wusste genau, dass ich anderenfalls das Jugendamt informiert hätte.
    Chantal war das süßeste kleine Mädchen, das man sich vorstellen konnte, mit blonden Ringellöckchen und Augen, die fast zu groß für das zarte Gesichtchen waren. Wäre ich mein kleiner Sohn gewesen, hätte ich sie auch von allen Mädchen in der Pusteblumen-Gruppe am liebsten gehabt. Die Vorstellung, dass sie vielleicht ein Fall für die Super-Nanny war, machte mich traurig.
    Timo war inzwischen bereit zum Aufstehen, Bauchweh hin oder her. Als er die Decke zurückschlug, bemerkte ich sofort die Bescherung, aber ich sagte nichts. Der Arzt hatte gemeint, es komme vor, dass Vorschulkinder noch gelegentlich einnässten, man solle dem nicht zu viel Gewicht beimessen, das würde es nur schlimmer machen. Also sagte ich nichts, sondern zog nur rasch das Bett ab und legte frische Wäsche und eine Reservedecke bereit.
    »Eines schönen Tages«, hatte der Arzt lächelnd gemeint, »sind alle Kinder trocken. Sehen Sie mich an, ich mache auch nicht mehr ins Bett.« Seitdem versuchte ich immer, mir Timo als etablierten und emotional stabilen Kinderarzt vorzustellen, wenn ihm mal wieder ein nächtliches Malheur passiert war.
    Benedikt war immer noch im Bad, also musste Timo sich am Waschbecken im Gästeklo die Zähne putzen und das Gesicht waschen. Beim Kämmen half ich ihm, aber das Anziehen schaffte er allein, sogar die Schuhe konnte er schon selbstständig zubinden, worauf wir beide sehr stolz waren.
    Zum Frühstück gab es für Timo Toast und Ovomaltine, für mich Kaffee; ich hatte selten vor zehn Uhr Appetit. Sophie war bereits aufgebrochen, sie hatte zur ersten Stunde Schule.
    »Kann’s losgehen?«, fragte ich Timo, nachdem er sich in der Diele die Jacke angezogen hatte.
    »Kann losgehen«, bestätigte er. Ich hängte ihm das Kindergartentäschchen um den Hals, und gemeinsam gingen wir nach draußen in die Einfahrt zum Wagen. Ich hatte Timo gerade auf dem Rücksitz angeschnallt und wollte selbst einsteigen, als im Obergeschoss das Fenster aufflog und Benedikt rausschaute.
    »Ich brauche heute das Auto!«, schrie er.
    »Wann denn genau?«
    »So um elf.«
    »Musst du nicht in die Schule? Du kannst doch den Bus nehmen!«
    »Ich meine heute Abend! «
    »Was hast du denn so spät noch vor?«
    Frau Hegemann schob nebenan ihren Kopf aus dem Küchenfenster.
    »Mama!«, rief Benedikt mit nach oben verdrehten Augen. Mehr musste er nicht sagen, als Mutter beherrschte ich die Kunst des Gedankenlesens: Wieso stellt sie sich so an? Um elf Uhr abends pennt sie doch schon seit Stunden, sie kapiert in ihrem Alter sowieso nicht mehr, dass die Party dann erst richtig losgeht. Und was soll immer diese Einmischung in mein Privatleben!
    »Meinetwegen, aber fahr bloß nicht wieder den Tank leer!«, rief ich zu ihm hoch. Was hätte ich auch sonst sagen sollen? Etwa: Geht nicht, ich brauche das Auto selbst , obwohl es gar nicht stimmte? Während Frau Hegemann nebenan die Ohren aufspannte und sofort überall herumerzählen würde, dass ich neuerdings nachts um die Häuser zog? In manchen Dingen gab man besser sofort nach.
    *
    »Du hast dich ja so fein angezogen heute«, sagte Timo von der Rückbank aus.
    »Ja, sogar zwei Mal«, stimmte ich zu.
    »Gehst du auf eine Feier?«
    »Das kann ich erst hinterher sagen.«
    »Du meinst, du weißt erst nach der Feier, ob es eine Feier war?«
    »So ungefähr. Manche Feiern sind nicht wirklich lustig, weißt du.«
    »Zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher