Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
Erstes einen Roman schreiben wollte! Dass die Entwicklung eines romanfähigen Stoffs das Allerschwierigste daran war, wusste sie vermutlich noch gar nicht. Aber damit würde sie sich womöglich auch nie herumplagen müssen, wenn der Wind ihr ein paar passende, fertig ausformulierte Ideen vor die Füße wehte. Meine Ideen!
    Ich grabschte mir ein Blatt nach dem anderen, bis ich endlich mit meiner matschigen, zerrissenen Ausbeute wieder zum Haus zurückstolpern konnte. Das Handy lag auf dem Rasen, es war genauso dreckig wie meine Schuhe. Spike hatte sich flach auf den Bauch gelegt. Alle viere ausgestreckt, robbte er winselnd auf mich zu. Jeder, der das zufällig sah, musste mich für das fieseste, gewalttätigste Frauchen der Welt halten. Zwischendurch fiepte er wie ein kleiner Welpe, eine echte Leistung für einen ausgewachsenen Riesenhund wie ihn. Als Schauspieler war er oscarverdächtig, sozusagen der Leonardo DiCaprio unter den Berner Sennenhunden. Er mochte es nicht, wenn ich mit ihm schimpfte, und griff daher zu allen Tricks, damit ich wieder lieb zu ihm war.
    Er fing an zu jaulen. Laut und durchdringend, als würde er gefoltert. Bei den Hegemanns nebenan ging ein Fenster auf.
    »Schon gut!«, rief ich entnervt. »Braver Hund.«
    Spike wuffte und kam mit ein paar Riesensätzen begeistert auf mich zugesprungen. Bevor ich zurückweichen konnte, hatte er mir seine gewaltigen Vorderpranken auf die Schultern gelegt und leckte mir das Gesicht ab. Als ich hinterher ins Haus zurückkam, sah ich aus wie nach einem Schlammbad.
    Sophie saß schon am Frühstückstisch, sie tippte auf ihrem iPod herum und trank zwischendurch Kaffee. Ihr dicker blonder Zopf hob sich hell von ihrem blauen Top ab.
    Sie blickte nicht auf, als ich Spike draußen vor der offenen Terrassentür die Pfoten säuberte und ihm dann Trockenfutter in den Hundenapf füllte.
    »Scheißdusche, das Wasser wird höchstens lauwarm«, sagte sie bloß und tippte weiter. Ich konnte sie verstehen. Mit siebzehn interessierte man sich für wichtigere Dinge als für Mütter, die sich bei dem Versuch, ein künstlerisches Meisterwerk zu retten, im Schlamm wälzten.
    »Ich geh dann mal rauf, mich umziehen«, sagte ich, doch auch das brachte sie nicht dazu hochzuschauen.
    Ich wechselte die Kleidung. Die Dreckspuren an meinen Armen würde ich im Gästeklo oder in der Küche abwaschen müssen; Benedikt blockierte immer noch das Bad.
    Höchste Zeit, Timo zu wecken und ihn für den Kindergarten fertig zu machen. Mein Jüngster öffnete verschlafen die Augen, als ich ihn sacht streichelte und auf die Wange küsste. Mir ging das Herz auf bei dem Anblick seines runden Kindergesichts und der verwuschelten Haartolle, und wie so oft gab es mir auch diesmal wieder einen Stich, weil sein Vater, dem er so unglaublich ähnlich sah, ihn nie hatte kennenlernen können. Martin war acht Monate vor Timos Geburt bei einem Autounfall ums Leben gekommen und hatte eine Lücke hinterlassen, die bei solchen Gelegenheiten noch manchmal zu spüren war.
    »Ich hab was Blödes geträumt«, sagte Timo.
    »Da sagst du was«, meinte ich mitfühlend. »Worum ging es denn in deinem Traum?«
    »Dass ich Bauchweh hab«, sagte Timo. Er verzog das Gesicht. »In echt hab ich auch Bauchweh, nicht bloß im Traum.«
    Das war nichts Neues; in letzter Zeit klagte er öfters darüber, ich war schon mehrmals mit ihm beim Arzt gewesen, der allerdings bisher nichts hatte finden können.
    »Kinder in diesem Alter haben oft Bauchweh, wenn ihnen was quersteckt. Nicht im anatomischen Sinne, sondern emotional. Gab es in der letzten Zeit in Ihrer Familie viel Stress?«
    »Nicht mehr als sonst.«
    »Oder im Kindergarten?«
    »Ich werde mal nachfragen.«
    Das hatte ich getan, aber die Kindergartentante aus der Pusteblumen-Gruppe, zu der Timo gehörte, hatte behauptet, dass alles ganz supi wäre mit Timo. Genau das waren ihre Worte gewesen. »Mit Timo ist alles ganz supi hier. Er ist gerne im Kindergarten. Er liebt den Kindergarten!« Aufmunternd hatte sie zu Timo hinuntergeblickt. »Stimmt doch, Timo, oder?«
    Timo nickte artig. Die Kindergartentante beugte sich vertraulich zu mir, sodass Timo nicht hören konnte, was sie zu mir sagte: »Wenn Timo Stress hat, dann liegt es garantiert daran, dass er bald in die Schule muss. Er fürchtet sich vor der Einschulung, denn er würde viel lieber im Kindergarten bleiben, weil er sich hier so wohlfühlt.«
    Auf der Heimfahrt fragte ich: »Stimmt das? Liebst du den Kindergarten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher